„The right to e-read“ – Vom öffentlichen Recht des elektronischen Lesens. Gerald Leitner im Interview

„THE RIGHT TO E-READ“ – VOM ÖFFENTLICHEN RECHT DES ELEKTRONISCHEN LESENS. GERALD LEITNER IM INTERVIEW

von Eva Ramminger

Die Nutzung von e-Books für die allgemeine Öffentlichkeit ist trotz (oder gerade wegen) aller technischen Fortschritte immer noch mit einigen Hürden verbunden. Während sich die Diskussion in wissenschaftlichen Bibliotheken in letzter Zeit mehrheitlich auf finanzielle und lizenzrechtliche Aspekte konzentrierte, steht für Öffentliche Bibliotheken naturgemäß das Verleihen elektronischer Literatur im Vordergrund. Insgesamt ist jedoch das Thema für die gesamte Bibliothekslandschaft von großer Relevanz – weshalb nun unter dem Titel „The right to e-read. Legalize it!“ eine europaweite, ursprünglich vom European Bureau of Library, Information and Documentation (EBLIDA) initiierte Kampagne die Aktualisierung des Urheberrechts fordert, damit eine rechtlich eindeutige Nutzung von E-Books in Bibliotheken möglich ist. Für die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare steht mit dieser Diskussion der Öffentlichkeitscharakter von Bibliotheken genauso im Mittelpunkt wie der faire Umgang mit AutorInnenrechten im elektronischen Zeitalter. Sie unterstützt daher diese Aktion und stellte fünf Fragen an Mag. Gerald Leitner, Chair der EBLIDA Task Force for E-Books und Geschäftsführer des Büchereiverbandes Österreich, der die Hintergründe für diese Kampagne erläutert:

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Frage 1: Warum ist dieses Thema gerade für Öffentliche Bibliotheken so aktuell?

Gerald Leitner: Die Veränderung des Medien- und Informationsmarktes ist eine große – wenn nicht die größte – Herausforderung für die Bibliotheken in den nächsten Jahren. Die über Jahrhunderte stabile Buchkette von AutorInnen über Verlage und Buchhandlungen bis zu den Bibliotheken ist in einem radikalen Umbruch. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Behauptung, man könne ein E-Book kaufen oder besitzen, als pure Marketinglüge. Niemand kauft ein E-Book, sondern lediglich eine E-Book-Lizenz. Bevor ein Kunde diese erwirbt, hat er (meist mehr als zehnseitigen kleingedruckten) Lizenzverträgen per Klick zuzustimmen. Und diese verbieten – bis auf das Lesen des E-Books – so ziemlich alles, was beim Kauf von gedruckten Büchern als selbstverständlich angesehen wird. Viele gebräuchliche soziale Praktiken – Bücher unter Freunden verleihen, nach dem Lesen weiterschenken, verkaufen oder vererben (!) – sind mit E-Books nicht möglich. Die Lizenz verbietet dies! Die meisten LeserInnen wissen das nicht. Zunehmend regt sich Unzufriedenheit und Widerstand: Konsumentenorganisationen beginnen E-Book-Verlage und E-Book-Plattformen zu klagen.


Frage 2: Worin besteht nun die Rechtsunsicherheit für Öffentliche Bibliotheken?

Leitner: Manche Verlage sehen Bibliotheken als Bedrohung für ihr Geschäft und verweigern den Verkauf von E-Books an Bibliotheken. Dabei werden viele Chancen verspielt! Die österreichischen BürgerInnen haben das Recht, (elektronisch) zu lesen! Und es sollte ihnen die Möglichkeit gegeben sein, in Bibliotheken von diesem Recht Gebrauch zu machen. Daher muss es Bibliotheken rechtlich erlaubt sein E-Books zu verleihen. Bibliotheken gewährleisten freien Zugang zu Inhalten, zu Informationen und zu Kultur für alle BürgerInnen. Der gegenwärtig gültige rechtliche Rahmen verhindert es jedoch, dass Bibliotheken diesen wichtigen Auftrag zum Nutzen für unsere Gesellschaft im digitalen Zeitalter erfüllen können.

Frage 3: Welche Ziele verfolgt nun die Kampagne „The Right to E-Read“?

Leitner: Was wir brauchen, ist ein überarbeiteter und moderner urheberrechtlicher Rahmen! Ein solcher Rahmen sollte die Unsicherheiten beseitigen und gleichzeitig die wirksame Anerkennung und Vergütung von Autorinnen und sonstigen RechteinhaberInnen gewährleisten. So würde auch der Zugriff auf E-Books für BenutzerInnen erweitert. Den Benutzerinnen würde die Möglichkeit gegeben, innerhalb des gesetzlichen Rahmens aus den durch Bibliotheken bereitgestellten E-Books Freude und persönlichen Gewinn zu schöpfen.

Frage 4: Welche Schritte sollen nun gesetzt werden?

Leitner: Eine Änderung des Urheberrechts ist nur durch eine Gesetzesdirektive der Europäischen Union, die dann in österreichisches Recht umgesetzt wird, möglich. Der Büchereiverband Österreichs versucht auf nationaler und (gemeinsam mit dem europäischen Dachverband EBLIDA) internationaler Ebene, PolitikerInnen von einer Änderung des Urheberrechts zu überzeugen. Parallel dazu werden am 23. April, dem Welttag des Urheberrechts und des Buches, in allen teilnehmenden Ländern Medienaktionen und Informationsveranstaltungen an den Bibliotheken stattfinden.

Frage 5: Das Kernthema dieser nun österreichweit anlaufenden Kampagne lautet „Legalize it“. Was soll damit konkret erreicht werden?

Leitner: Die meisten PolitikerInnen, die breite Öffentlichkeit, aber auch viele BibliothekarInnen wissen nicht, unter welchen gesetzlichen Bedingungen der E-Book-Markt funktioniert oder besser gesagt nicht funktioniert. Meist sind sie erstaunt, wenn sie hören, dass VerlegerInnen sich weigern können, E-Book-Lizenzen an Bibliotheken zu verkaufen, und so verhindert wird, dass die BenutzerInnen der Öffentlichen Bibliotheken freien Zugang zu diesen Medien bekommen. Wir müssen deutlich machen, dass eine Änderung des Urheberrechts zugunsten der LeserInnen notwendig ist – dass das Recht auf das Lesen von E-Books- in Öffentlichen Bibliotheken legalisiert werden muss.
Auf der Homepage des Büchereiverbandes Österreichs (BVÖ) und der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB) finden sich weitere Informationen und Links zu dieser Kampagne.

Mag. Gerald Leitner
Büchereiverband Österreichs
E-Mail: leitner@bvoe.at

Mag. Eva Ramminger
Universitätsbibliothek der Technischen Universität Wien
E-Mail: eva.ramminger@tuwien.ac.at

[Wiederabdruck aus: Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 67 (2014), H. 1/2]

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