Zur nächsten Urheberrechtsnovelle … Was wird mit den verwaisten Werken?

In der Futurezone gibt es heute einen Hintergrundartikel, der bemängelt, dass manche Gruppen nicht zu den vorbereitenden Beratungen um die künftige Urheberrechtsgesetznovelle eingeladen worden sind. Es wird insbesondere um folgende Themen gehen:

  1. Schutzdauerrichtlinie
  2. Modernisierung der Bestimmungen über das verwandte Schutzrecht der ausübenden Künstler und Veranstalter
  3. Auflassung des „Urheberregisters“
  4. Richtlinie über verwaiste Werke
  5. Filmurheberrecht – „cessio legis“
  6. Aufhebung der Ausnahmen vom Senderecht nach § 17 Abs. 3 UrhG
  7. Leerkassetten- und Reprografievergütung – Einbeziehung von PC und Speicherplatten
  8. Freie Werknutzungen (Zitatrecht, unwesentliches Beiwerk), Erleichterungen für die Nutzung von Werken in Prüfungsaufgaben
  9. Rechtsdurchsetzung – Auskunftsanspruch gegen Provider, Begrenzung von Abmahnkosten
  10. Leistungsschutz für Presseverleger
  11. Wiedereinrichtung des Urheberrechtssenates
  12. Änderung allgemeiner Vertragsbedingungen für Wahrnehmungsverträge
  13. Verteilungsregeln

Interessant ist, dass dabei ein Vorentwurf/Arbeitspapier für die Novelle geleakt wurde:

Bibliotheksrechtlich interessant sind jedenfalls einmal die möglichen Bestimmungen zu den verwaisten Werken:

Das Papier schlägt für die verwaisten Werke die Einfügung eines § 56e UrhG vor:

Verwaiste Werke

§ 56e. (1) Der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen, die Werkstücke sammeln, und öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten dürfen Vervielfältigungstücke von eigenen Werkstücken herstellen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen,
1. wenn dies der Erfüllung ihrer im Gemeinwohl liegenden Aufgaben insbesondere der Bewahrung, der Restaurierung sowie der Bereitstellung des kulturellen und bildungspolitischen Zwecken dienenden Zugangs zu ihrem Werkbestand dient und unentgeltlich oder nur gegen ein die Kosten der Digitalisierung und Zurverfügungstellung deckendes Entgelt erfolgt;
2. wenn das Werk in einem Druckwerk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde oder auf einem Bild- oder Schallträger festgehalten ist, der in die Sammlung einer berechtigten Einrichtung oder in das Archiv einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt aufgenommen wurde und das Werk im Auftrag dieser oder einer anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt vor dem 1. Januar 2003 produziert wurde;
3. wenn das Werk in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums
a) erschienen (§ 9) ist, oder wenn es nicht erschienen ist,
b) mit Einwilligung des Berechtigten erstmals gesendet wurde, oder wenn es weder erschienen ist noch gesendet wurde,
c) ein Werkstück mit Einwilligung des Berechtigten durch die Einrichtung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und anzunehmen ist, dass sich der Rechteinhaber der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung nicht widersetzen würde, und
4. soweit und solange nach einer sorgfältigen Suche in Österreich keine Person festgestellt oder ausfindig gemacht werden kann, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung berechtigt ist, und die Ergebnisse der sorgfältigen Suche dokumentiert und an die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften weitergeleitet wurden, oder
5. soweit nach einer sorgfältige Suche in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR das Ergebnis der sorgfältigen Suche im Sinn der Richtlinie 2012/28/EG in der vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eingerichteten Datenbank erfasst ist.

(2) Zur Feststellung, ob ein Werk verwaist ist, haben die berechtigten Einrichtungen vor der Nutzung eine sorgfältige Suche nach der Person durchzuführen, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung des Werks berechtigt ist, und dabei die geeigneten Quellen nach Treu und Glauben zu konsultieren. Als geeignete Quellen sind zumindest die im Anhang der Richtlinie 2012/28/EU angeführten Quellen heran zu ziehen. Die Bundesministerin für Justiz kann durch Verordnung die Quellen für die einzelnen Kategorien von Werken bestimmen, die im Rahmen der Suche zu konsultieren sind.

(3) Die Suche ist in Österreich durchzuführen, wenn das Werk in Österreich erschienen oder mangels Erscheinen zuerst gesendet wurde; bei Filmwerken ist die sorgfältige Suche in Österreich durchzuführen, wenn deren Hersteller seine Hauptniederlassung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Bei nicht erschienenen oder gesendeten Werken wird die sorgfältige Suche in Österreich durchgeführt, wenn die Einrichtung in Österreich belegen ist, die das Werk mit Zustimmung des Rechteinhabers öffentlich zugänglich gemacht hat. Bei Hinweisen auf relevante Informationen zu Rechteinhabern in anderen Ländern sind auch verfügbare Informationsquellen in diesen anderen Ländern zu konsultieren.

(4) Die sorgfältige Suche nach Abs. 3 ist in einem Protokoll zu dokumentieren; das Protokoll ist für die Dauer der Nutzung und sieben Jahre nach deren Beendigung aufzubewahren. Folgende Informationen sind an die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften weiterzuleiten:
1. die genaue Bezeichnung jener Werke, die nach den Ergebnissen der sorgfältigen Suche als verwaist anzusehen sind;
2. die Art der Nutzung dieser Werke durch die Einrichtung;
3. den Umstand, dass eine Person nachträglich festgestellt oder ausfindig gemacht werden konnte, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung berechtigt ist,
4. die jeweiligen Kontaktangaben der betreffenden Einrichtung.
Die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften hat diese Informationen unverzüglich nach deren Erhalt an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt zur Veröffentlichung in der von diesem geführten OnlineDatenbank weiterzuleiten.

(5) Sobald eine berechtigte Einrichtung Kenntnis von der Identität und den Aufenthaltsort einer Person erlangt, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung berechtigt ist, hat sie jede weitere Nutzung des verwaisten Werks ohne deren Zustimmung unverzüglich einzustellen. Für die vorherige Nutzung hat die nutzende Einrichtung auf Verlangen des Berechtigten eine angemessene Vergütung zu leisten. Für die Bemessung der Höhe der Vergütung ist davon auszugehen, dass die Nutzung in dem Mitgliedstaat der
Europäischen Union oder Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums stattfindet, in dem die Einrichtung belegen ist, die das verwaiste Werk nutzt.

Erläuterungen dazu:

Zu Z 11 (§ 56e):

Die Richtlinie 2012/28/EU über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke soll die Digitalisierung und Verbreitung des europäischen Kulturerbes über das Internet durch Bibliotheken, Museen und Archive durch Maßnahmen zur Vereinfachung der Rechteklärung an sogenannten verwaisten Werken erleichtern, deren Rechteinhaber unbekannt oder nicht auffindbar sind.

Die Richtlinie sieht eine Ausnahme bzw. Beschränkung des Vervielfältigungsrechts und des Zurverfügungstellungsrechts an verwaisten Werken zugunsten öffentlich zugänglicher Einrichtungen sowie öffentlich-rechtlicher Rundfunkunternehmen vor, die im Rahmen ihrer im Gemeinwohl liegenden Aufgaben Zugang zu ihrem Werkbestand ermöglichen. Als weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Zurverfügungstellung des eigenen Bestands verwaister Werke bestimmt die Richtlinie, dass das betroffene Werk in der Europäischen Union erstveröffentlicht (bzw. erstgesendet) oder doch zumindest mit Zustimmung eines Rechteinhabers über eine berechtigte Einrichtung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Ferner setzt die zulässige Nutzung eine erfolglose sorgfältige Suche nach dem Rechteinhaber in den Quellen des Landes der  Erstveröffentlichung voraus. Die Suchergebnisse sind von der betroffenen Einrichtung zu dokumentieren und an die zuständigen nationalen Behörden weiterzuleiten, die wiederum diese Informationen dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt übermitteln sollen, das eine europaweite Datenbank verwaister Werke zu führen hat. Mit dieser europaweit vereinheitlichten Ausnahme sollen die begünstigen Einrichtung ein verwaistes Werk ihres Bestands durch die Zurverfügungstellung im Internet (und damit in allen Mitgliedstaaten) verwerten können. Die Richtlinie sieht in diesem Sinn eine gegenseitige Anerkennung des Status als verwaistes Werk vor. Wieder auftauchende Rechteinhaber haben die Möglichkeit, den Status als verwaistes Werk zu beenden und für Nutzungen während ihrer Abwesenheit eine Vergütung zu verlangen.

Der Entwurf setzt die Vorgaben der Richtlinie zunächst in einer neuen freien Werknutzung in § 56e um. Er vermeidet dabei die sehr detaillierte Aufzählung bestimmter berechtigter Einrichtungen und erfasster Werke. Aus der Aufzählung der Einrichtungen in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie ergibt sich, dass die Richtlinie Einrichtungen im Auge hat, die im Gemeinwohl Werkstücke sammeln. Mag das Kriterium der „öffentlichen Zugänglichkeit“ sich in Art. 1 Abs. 1 sprachlich nur auf „Bibliotheken“ beziehen, so wird doch aus der Umschreibung der Aufgaben im Gemeinwohl in Art. 6 Abs. 2 klar, dass es zu den Aufgaben der Einrichtungen ganz allgemein gehören muss, den Zugang zu Werken zu ermöglichen. Das Kriterium der Aufnahme in eine Sammlung ergibt sich auch aus der Aufzählung erfasster Gegenstände in Art. 1 Abs. 2. Abstrakt umschrieben erfasst die Richtlinie daher der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen, die im Gemeinwohl Werkstücke sammeln.

Ungeachtet einer eher umständlichen Aufzählungstechnik erfasst die Richtlinie recht umfassend mit Art. 1 Abs. 2 Werke der Literatur und der Filmkunst. Der Entwurf umschreibt die von der freien Werknutzung erfassten Gegenstände in Abs. 1 Z 2.

Die Richtlinie nimmt in der ersten Fallgruppe nach Art. 1 Abs. 1 lit. a nicht primär auf die Werkkategorie sondern auf die Art der Veröffentlichung und zwar darauf Bezug, dass die „Werke … in Form von Büchern, Fachzeitschriften, Zeitungen, Zeitschriften oder in sonstiger Schriftform veröffentlicht wurden“. Erfasst werden damit auch sogenannte „eingebettete“ Werke der bildenden Kunst oder Lichtbilder, die in ein Buch, eine Zeitschrift oder sonst in ein Schriftwerk aufgenommen wurden. Dies bringt Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie auch ausdrücklich durch die Anordnung zum Ausdruck, dass sie „auch für Werke und sonstige Schutzgegenstände, die in Werke oder Tonträger … eingebettet oder eingebunden oder integraler Bestandteil dieser sind“ gilt. Der Entwurf setzt die Aufzählung einzelner in Schriftform veröffentlichter Werke und die Einbeziehung damit verbundener Werke insb. der bildenden Kunst durch den Rückgriff auf den Begriff des „Druckwerks“ um.

In einer zweiten und dritten Fallgruppe (Art. 1 Abs. 2 lit. b und c) erfasst die Richtlinie Film- oder audiovisuelle Werke und Tonträger, die in den Sammlungen von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen sowie in den Sammlungen von Archiven oder Einrichtungen im Bereich des Film- oder Tonerbes einerseits enthalten sind, und solche Film- oder audiovisuelle Werke und Tonträger, die von öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten vor dem 1. Januar 2003 produziert wurden und in ihren Archiven enthalten sind. Dabei geht der Entwurf davon aus, dass die Richtlinie mit der Wendung „Film- oder audiovisuelle Werke und Tonträger“ in Verbindung mit der bereits genannten Erweiterung des Anwendungsbereichs auf eingebettete bzw. eingebundene Werke ebenso wenig auf Filmwerke im engeren Sinn sondern viel mehr auch auf die Art und Weise abstellt, wie ein Werk in Erscheinung tritt. In Umsetzung dieser Begrifflichkeit schlägt der Entwurf daher vor, in Anlehnung an § 56a alle Werke zu erfassen, die auf einem Bild- oder Schallträger festgehalten sind.

Bei der Formulierung der Voraussetzungen für die zulässige Nutzung setzt der Entwurf in Abs. 1 Z 1 zunächst das Kriterium Aufgabenerfüllung im Gemeinwohl nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 um. In Abs. 1 Z 3 übernimmt der Entwurf das Erfordernis der Erstveröffentlichung bzw. Erstsendung bzw. erstmaligen öffentlichen Zugänglichmachens in der EU, wobei davon auszugehen ist, dass die Richtlinie mit dem Begriff der ersten Veröffentlichung Bezug auf Art. 3 Abs. 3 der Berner Übereinkunft nimmt und Veröffentlichung daher im Sinn des Erscheinens nach § 9 UrhG zu verstehen ist.

Als weitere Voraussetzung für die freie Werknutzung normiert der Entwurf, dass eine Person, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung berechtigt ist, nicht festgestellt oder nicht ausfindig gemacht werden kann. Die Richtlinie nimmt in Art. 2 auf einen fehlenden Rechteinhaber Bezug. Dies wäre aber wortwörtlich genommen in jenen Fällen überschießend, in denen zwar nicht der Rechteinhaber wohl aber eine Person gefunden werden kann, die vom Rechteinhaber zur Erteilung von Nutzungsbewilligungen bevollmächtigt
wurde oder auf andere Weise zu seiner Vertretung berechtigt ist. Überdies kommt es wohl nicht auf einen Rechteinhaber ganz allgemein an, sondern darauf, dass die berechtigte Einrichtung die für die Vervielfältigung und Zurverfügungstellung nötigen Werknutzungsbewilligungen erhält. Der Entwurf setzt daher den in der Richtlinie verwendeten Begriff des „Rechteinhaber“ mit „Person, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung berechtigt ist“ um.

Nach der Richtlinie ist ein Werk aber nur dann im eigentlichen Sinn verwaist, wenn überhaupt kein Rechteinhaber gefunden werden kann. Auch dabei dürfte die Richtlinie nicht vom Werkbegriff im eigentlichen Sinn ausgehen, sondern von den konkreten Formen, in denen Werke und damit verbundene Schutzgegenstände der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sodass wohl als „Mitrechteinhaber“ im Sinn des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie auch der Inhaber eines mit einem verwaisten Werk verbundenen verwandten Schutzrechts angesehen werden müsste. Allerdings bestimmt die Richtlinie ausdrücklich, dass sie auch auf einzelne nicht identifizierbare bzw. auffindbare Rechteinhaber unbeschadet der Rechte der anderen Rechteinhaber anzuwenden ist. Der Entwurf bringt dies durch den Begriff „soweit“ zum Ausdruck. Die neue freie Werknutzung bezieht sich daher auf die Rechte der jeweils nicht auffindbaren Rechteinhaber.

Nach Art. 5 der Richtlinie sollen wieder auftauchende Rechteinhaber die Möglichkeit haben, in Bezug auf ihre Rechte „den Status als verwaistes Werk zu beenden“. Wie dies geschehen soll, konkretisiert die Richtlinie aber nicht näher. Um von vornherein den Anschein zu vermeiden, dass dem Rechteinhaber entgegen Art. 5 Abs. 2 der Berner Übereinkunft, die Erfüllung von Förmlichkeiten für den Genuss und die Ausübung seiner Rechte auferlegt werden soll, verzichtet der Entwurf darauf, auf eine Beendigung durch den Rechteinhaber Bezug zu nehmen. Vielmehr wird vorgeschlagen, den Status als verwaistes Werk von vornherein bis zu dem Zeitpunkt zeitlich zu  begrenzen, zu dem der betroffene Rechteinhaber wieder identifiziert bzw. aufgefunden werden kann. Dies bringt der Entwurf durch den Begriff „solange“ zum Ausdruck. Darüber hinaus ordnet Abs. 5 an, dass eine berechtigte Einrichtung, die Kenntnis von der Identität und den Aufenthaltsort einer Person erlangt, die zur Gestattung der Vervielfältigung und Zurverfügungstellung berechtigt ist, jede weitere Nutzung des verwaisten Werks ohne deren Zustimmung unverzüglich einzustellen hat. Die Beendigung des Waisenstatus ist überdies der Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften mitzuteilen, die diese Information an das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt zur Veröffentlichung in der von diesem geführten Online-Datenbank weiterzuleiten hat.

Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie gewährt den wieder auftauchenden Rechteinhabern einen mit „gerechtem Ausgleich“ umschriebenen Vergütungsanspruch, womit den Mitgliedstaaten ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt und vom Grundsatz einer harmonisierten Ausnahme abgewichen wird. Die Bestimmung verweist deswegen auch auf die Vergütungsregeln des Mitgliedsstaates, in dem die Einrichtung belegen ist, die das verwaiste Werk nutzt. Damit ist aber offenbar auch gemeint, dass dieser Mitgliedstaat berechtigt ist, die Vergütung für die gemeinschaftsweite Nutzung zu regeln. Der Entwurf setzt das damit verfolgte Anliegen daher nicht (unmittelbar) mit einer kollisionsrechtlichen Regelung sondern mit dem Modell der Kabel- und SatellitenRL 93/83/EWG für den Ort der Satellitensendung um und bestimmt in diesem Sinn den Mitgliedstaat, in dem die Einrichtung belegen ist, als den Mitgliedstaat, in dem die Nutzung stattfindet. Über das für das Immaterialgüterrecht geltende Schutzlandprinzip, wonach das Recht des Staates Anwendung findet, in dem eine Nutzungshandlung gesetzt wird, wird damit auch auf das Recht des Staates, in dem die Einrichtung belegen ist, verwiesen.

Die Vorgaben des Art. 3 der Richtlinie an die sorgfältige Suche setzt der Entwurf in den Absätzen 2 und 3 um. Abs. 4 übernimmt die Dokumentations- und Informationsverpflichtungen der berechtigten Einrichtungen und schlägt als nationale Verbindungsstelle zum Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt die Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften vor. Dabei geht der Entwurf davon aus, dass nach dem Konzept der Richtlinie und insb. nach dem in Art. 4 normierten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung die Mitgliedsstaaten das Erfordernis der sorgfältigen Suche nur für die Schutzgegenstände regeln können, die auf ihrem jeweiligen Gebiet im Sinn der Richtlinie erstmals erschienen, gesendet bzw. öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Nutzung von anderen Werken insb. deren Zurverfügungstellung im Internet ist in Österreich zuzulassen, wenn der Status als verwaistes Werk in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt ist. Als Anknüpfungspunkt für eine solche Anerkennung bietet sich allerdings nur die Aufnahme der Ergebnisse einer sorgfältigen Suche in die vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt zu führende Datenbank an.

Die Richtlinie spricht zwar an mehreren Stellen ausdrücklich nur von „Werken und Tonträgern“, versteht diese Begriffe aber in einem weiten Sinn. Art. 1 nimmt ausdrücklich auf den Schutz durch das Urheberrecht und durch verwandte Schutzrechte (ganz allgemein) Bezug. Nach Art. 1 Abs. 4 gilt die Richtlinie auch für Werke und sonstige Schutzgegenstände, die in Werke oder Tonträger eingebettet, eingebunden oder integraler Bestandteil dieser sind. Damit erfasst die Richtlinie auch die Schutzgegenstände verwandter Schutzrechte, wobei die Ausnahme zugunsten der Nutzung verwandter Schutzrechte den gleichen Beschränkungen unterliegt wie sie die Richtlinie für die Nutzung von Werken vorsieht.

Im Sinn der Systematik des UrhG formuliert der Entwurf die freie Werknutzung an verwaisten Werken in einem neuen § 56e im I. Hauptstück über das Urheberrecht. Durch eine Ergänzung der Verweisungsbestimmungen für Darbietungen (§ 71 Abs. 6), Lichtbilder (§ 74 Abs. 7), Schallträgerhersteller (§ 76 Abs. 6) und Rundfunkunternehmer ( 76a Abs. 5) wird die neue freie Werknutzung auf die genannten verwandten Schutzrechte ausgedehnt.

Nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass die begünstigten Einrichtungen die Namen identifizierter Urheber und anderer Rechteinhaber bei jeder Nutzung eines verwaisten Werks angeben. Der Entwurf schlägt vor, diese Anforderung in § 57 Abs. 3a über den Schutz geistiger Interessen bei freien Werknutzungen umzusetzen. Demnach soll – soweit dies nicht unmöglich ist – die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, angegeben werden, wenn ein Werk nach § 56e vervielfältigt wird.

Siehe auch: https://netzpolitik.org/2012/urheberrechtsreform-in-osterreich-vorbild-deutschland/

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