Der internationale Bibliothekskongress „VERMITTELNDE (W)ORTE. Bibliotheken und Demokratie“ des Büchereiverbandes Österreichs (BVÖ) ging Donnerstagnachmittag im Congress Graz mit der Verleihung der diesjährigen Bibliothekspreise für die innovativsten Best-Practice-Beispiele zu Ende: Mit dem ersten Platz wurde das Projekt der Bibliothek Frastranz zum Thema Flucht und Migration ausgezeichnet. Bei zahlreichen Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen konnten sich die rund 300 TeilnehmerInnen des Kongresses intensiv mit dem diesjährigen Thema „Bibliotheken und Demokratie“ auseinandersetzen.
Der BVÖ hat im Rahmen des Kongresses auch auf die engagierte und nachhaltige Arbeit der zumeist ehrenamtlich tätigen BibliothekarInnen Österreichs aufmerksam gemacht und diese gewürdigt: Mit dem mit 3.000 Euro dotierten ersten Platz wurde das Gemeinschaftsprojekt „Vom Kommen und Gehen“ der Bibliothek Frastanz ausgezeichnet, weil es „ein aktuelles Thema wie Migration in den Kommunikationszusammenhang einer Bibliothek stellt. Die Einbettung in ein größeres Projekt und die Verknüpfung mit der Ortsgeschichte sind vorbildlich“, so die Begründung der Jury. Neben einer Buchausstellung zum Thema Flucht wurde ein Rundgang mit Dorfgeschichten, ein Dorfgespräch sowie eine Projektwoche für Schulkinder angeboten. Über je 1.000 Euro konnten sich die Stadtbibliothek Vöcklabruck für das Projekt „Makerspace Bibliothek“ – eine Bibliothek als Ort des Ausprobierens und des Vermittelnsd die Walserbibliothek Großes Walsertal freuen, die Bestattungsformen und Rituale verschiedener Religionen und Kulturen beleuchtet haben. Informationen zu allen eingereichten Projekten unter: www.bvoe.at/themen/bibliothekspreis
Bereits im Rahmen der Eröffnung wurde die Bedeutung von demokratischen Einrichtungen wie Bibliotheken für eine mündige Gesellschaft hervorgehoben. Die Historikerin Heidemarie Uhl betonte in ihrem Vortrag „Gedenkjahr 1918 – neue Blicke auf die Republikgeschichte?“ u. a. die Macht der Worte im positiven Sinn, da diese bewegen und Hoffnungslosigkeit aufbrechen können. „Man muss Mut machen, die Dinge beim Namen nennen, das haben die jüngsten Erinnerungsfeierlichkeiten einmal mehr gezeigt … Bibliotheken sind Orte des Engagements, um die Köpfe und Herzen der Menschen zu gewinnen – vor allem derjenigen, die keinen wissenschaftlichen Zugang haben. Sie sind öffentliche Orte der Neugierde und des Respekts, und diese Öffentlichkeit ist notwendiger denn je.“
Die Schriftstellerin Iris Wolff sprach in ihrem Vortrag „Poesie als Optik, die die Welt formt. Warum Lesen Grenzen überwindet“ eine Einladung aus, sich von Büchern und dem Wagnis Lesen verändern zu lassen: Zwischen dem ersten und dem letzten Satz einer Buchwelt fänden Überschreibungen statt, die dafür sorgen können, dass man am Ende nicht mehr die- oder derselbe ist. Ganz demokratisch wohne Literatur somit die Möglichkeit inne, unterschiedliche Standpunkte auszuprobieren. Lesen bedeute Überschreiten – der eigenen Grenzen, des eigenen Horizonts: „Bibliotheken betritt man daher immer in doppelter Richtung: Sie führen in die Welt und gleichzeitig auf uns selbst zu.“
Torbjörn Nilsson, Direktor der Stadtbücherei Malmö, erläuterte den demokratischen Grundsatz im schwedischen Bibliotheksgesetz, gleichen und freien Zugang zu Information und Wissen für alle zu bieten, u. a. auch für die zahlreichen BenutzerInnen, deren Muttersprache nicht Schwedisch ist. Eines der Projekte der Stadtbibliothek wendet sich vor allem an neu angekommene MigrantInnen, um sie in ihrer Integration zu unterstützen.
Bei zahlreichen Vorträgen, Workshops und Podiumsdiskussionen konnten sich die TeilnehmerInnen intensiv mit dem diesjährigen Thema „Bibliotheken und Demokratie“ auseinandersetzen.
Der Kolumbianer José Alberto Gutiérrez erzählte im Gespräch mit Halo Locher, Geschäftsführer der Schweizer Bibliotheksverbände BIS und SAB, über sein Lebensprojekt: Er hat mit den über 25.000 Büchern, die er in den vergangenen Jahrzehnten größtenteils aus dem Abfall gerettet hat, in seinem Haus in Bogotá eine Bibliothek aufgebaut, durch seine Vermittlungsarbeit entstanden viele neue kleine Bibliotheken im ganzen Land.
Über die Wahrung demokratischer Grundwerte im digitalen Raum sprachen u. a. der deutsche Neurophysiologe, Wissenschaftshistoriker und Professor an der ETH Zürich Michael Hagner, der in seinem Vortrag „Zur moralischen Ökonomie des Buches“ die Verpflichtungen im Umgang mit Büchern und digitalen Texten hervorhob. Die Journalistin Ingrid Brodnig vermittelte mit ihrem Vortrag „Fakten statt Fakes. Was wir gegen Fake News und andere Formen der Manipulation im Internet tun können“ auch einen praktischen Leitfaden und Johannes Neuer, Director of Customer Experience der New York Public Library (NYPL), gab Einblicke in die zahlreichen Vermittlungsprojekte der NYPL, die allen BürgerInnen von New York kostenlos zur Verfügung stehen.
In zahlreichen Workshops wurde erarbeitet, wie Bibliotheken demokratische Werte unterstützen können: Boryano Rickum (Leiter der Berliner Bibliothek Tempelhof-Schöneberg) widmete sich mit „Die Bibliothek als Bollwerk der Demokratie: Selbstverständnis und Aufgabe von Bibliotheken in demokratischen Gesellschaften“ dem Aspekt der gesellschaftsverbindenden Institution. Boris Miedl, Leiter der [kju:b]-Jugendbibliothek der Stadtbibliothek Graz, erläutere die Möglichkeiten der demokratischen Bewusstseinsbildung bei Kindern und Jugendlichen und Petra Hauke, Lehrbeauftragte der Humboldt-Universität zu Berlin und Gründungsmitglied des „Netzwerks Grüne Bibliothek“, stellte „Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UN – ein Instrument demokratischer Teilhabe und Mitverantwortung“ vor.
Alle Veranstaltungen sowie ab 18.5. nachmittags Bildmaterial zum Kongress finden Sie unter kongress18.bvoe.at.
Förderer/Sponsoren/Partner:
Bundeskanzleramt Sektion II: Kunst und Kultur, Land Steiermark, Stadt Graz, Stadtbibliothek Graz
Veranstaltet vom Büchereiverband Österreichs
in Kooperation mit der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)