Die Österreichische Nationalbibliothek konnte vor Kurzem beim Auktionshaus Stargardt ca. 570 Korrespondenzstücke ersteigern. Die Briefe stammen von Thomas Bernhard, Alfred Polgar und Jakob Wassermann und stellen einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Kulturgeschichte dar. Der Kaufpreis betrug 48.240 Euro. Die großteils noch unveröffentlichten Schreiben werden derzeit im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek erschlossen und stehen der Forschung spätestens im Dezember 2019 zur Verfügung.
Bei der Autografen-Auktion von J. A. Stargardt in Berlin, einem der größten Auktionshäuser im deutschsprachigen Raum, wurden im März 2019 Korrespondenzstücke von drei großen österreichischen Schriftstellern versteigert: Thomas Bernhard, Alfred Polgar und Jakob Wassermann. Die Österreichische Nationalbibliothek konnte diese ca. 570 Briefe umfassenden Sammlungen ersteigern, sie stellen einen wichtigen Beitrag zur österreichischen Kulturgeschichte wie zur politischen Geschichte im 20. Jahrhundert dar. Die Autografen ergänzen die umfangreichen Bestände ihres Literaturarchivs, zu dessen Kernaufgaben die Erwerbung und Erschließung von Vor- und Nachlässen österreichischer SchriftstellerInnen zählt.
Briefe und Zeichnungen von Thomas Bernhard
Die Briefe an die mit Thomas Bernhard eng befreundete Kostüm- und Bühnenbildnerin Annemarie Hammerstein-Siller stammen größtenteils aus den frühen 1960er-Jahren. Aufgabeorte sind u. a. Attnang, Gorizia, London, Lovran, Salzburg, St. Veit im Pongau und Wien – alles Bernhard-Orte, die seine Reiselust und Umtriebigkeit widerspiegeln. Die bislang unpublizierten Briefe zeigen einen trotz seiner geringen Bekanntheit von sich überzeugten Schriftsteller. Thema sind die in einer Scheune am Tonhof in Maria Saal aufgeführten frühen Einakter Bernhards und die von Gerhard Lampersberg vertonte Kurzoper „Köpfe“. Bernhard berichtet seiner Freundin auch von der Arbeit an seinen ersten größeren Prosaarbeiten „Frost“ und „Amras“.
Ebenfalls in den 1960er Jahren entstanden sind sechs karikaturhafte Zeichnungen Bernhards. Die mit Filzstift auf farbigen Resopalplatten gezeichneten Bilder ergänzen diese bedeutende Sammlung.
Briefe von Alfred Polgar
Mehr als 400 Seiten stark sind die etwa 200 Korrespondenzstücke des Wiener Schriftstellers und Kritikers Alfred Polgar an den Schweizer Kollegen und Kunstmäzen Carl Seelig. Die inhaltsreichen Briefe stammen aus den Jahren 1928 bis 1955 und veranschaulichen die extreme Lebenssituation, in der sich Polgar befand: 1933 hatte der österreichische Jude und Antifaschist das nationalsozialistische Deutschland verlassen, bald danach wurden seine Bücher öffentlich verbrannt. Seine Flucht führte ihn über Wien und Paris bis ins amerikanische Exil, wo er noch lange auf finanzielle Hilfe angewiesen war. Carl Seelig stand Polgar viele Jahre zur Seite und verhalf ihm regelmäßig zu Aufträgen für Veröffentlichungen.
Briefe von Jakob Wassermann
Biografisch sowie werk- und kulturgeschichtlich von hoher Bedeutung sind die 363 Briefe und Postkarten Jakob Wassermanns an seine erste Frau Julie Speyer aus der Zeit von 1900 bis 1929. Neben den Hemmnissen und Fortschritten in seiner Arbeit berichtet der zu seiner Zeit außergewöhnlich populäre Erzähler von seinen Treffen mit den Größen des literarischen Lebens. Erwähnt werden u. a. Franz Blei, Gerhart Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, Alfred Kerr, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Felix Salten, Arthur Schnitzler und Richard Strauss.
Auch seine Vorliebe für das ländliche Leben kommt in den Briefen zum Ausdruck: 1919 übersiedelte Jakob Wassermann mit seiner zweiten Frau, der Schriftstellerin Marta Stross, von Wien nach Altaussee.
Dazu: