Stellungnahme der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB) und des Büchereiverbands Österreich (BVÖ) zur Urheberrechtsnovelle 2015
Die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare begrüßt die Überarbeitung des Urheberrechts und bedankt sich für die Möglichkeit, zu diesem Entwurf eine Stellungnahme abzugeben.
Zu §37a:
Das Zweitveröffentlichungsrecht stellt einen wichtigen Meilenstein in Zusammenhang mit der Open Access Policy und der Berliner Erklärung dar und wird von den Universitätsbibliotheken Österreichs begrüßt.
Durch das Abstellen auf „mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungseinrichtungen“ ist – anders als in Deutschland – klargestellt, dass auch Universitäten und deren Forschende umfasst sind.
Die Einschränkung auf „periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinende Sammlungen“ greift allerdings zu kurz. Wir wünschen uns hier eine Ausweitung zumindest auch auf solche Beiträge, die in nicht periodischen Sammelwerken (Festschriften, Kongressschriften) veröffentlicht werden.
Ebenfalls zu kurz greift das Abstellen auf „erschienene“ Beiträge, da gerade im wissenschaftlichen Umfeld oftmals auch nur online publiziert wird. Diese Publikationen wären mangels einer Anpassung des Begriffs „Erscheinen“ im § 9 nicht umfasst.
Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang ganz grundsätzlich die Frage der räumlichen Geltung dieser Bestimmung. Gilt das Zweitveröffentlichungsrecht nur für österreichische Publikationen, oder auch für von Österreichern verfasste Beiträge, die
in ausländischen Medien publiziert werden (siehe dazu auch die strittige Diskussion
in Deutschland http://www.allianzinitiative.de/de/handlungsfelder/rechtlicherahmenbedingungen/
faq-zvr.html#c251 bzw.
http://www.allianzinitiative.de/handlungsfelder/rechtliche-rahmenbedingungen/faqzvr.
html)? Hier wäre eine Klarstellung in §§ 94 ff wünschenswert.
Zu §42 (5):
Die vorgeschlagene Regelung, dass keine Vervielfältigung zum eigenen oder privaten Gebrauch vorliegt, wenn hierfür eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder (offensichtlich gemeint: rechtswidrig) öffentlich zugänglich gemachten Vorlage verwendet wird, erzeugt mit Sicherheit nur Rechtsunsicherheit. Ohne genauere Beschreibung, was mit dem Begriff „offensichtlich“ gemeint ist und welcher Sorgfaltsmaßstab hier vom Gesetzgeber vorausgesetzt wird, sollte von gesetzlichen Maßnahmen Abstand genommen werden, die zu einer zusätzlichen Verunsicherung führen und das Risiko von Strafverfahren gegen Endverbraucher erhöhen.
Hier bei der Strafbarkeit auf den Endverbraucher abzustellen, der bspw. ein Textdokument downloadet ohne Kenntnis ob er dies darf oder nicht, dürfte etwas zu weit gehen. Siehe dazu den verschuldensunabhängigen Tatbestand der §§ 86 iVm 91.
Zu §42 (6):
Die Erweiterung auf andere Bildungseinrichtungen wird ausdrücklich begrüßt. Diese Definition ist dynamisch und bewirkt damit nachhaltig Rechtssicherheit.
Zu §42 (7) u. (8):
Diese Änderung wird begrüßt, da diese Regelung für Sicherheits- und Archivkopien nun auch die im Rahmen der Digitalisierung notwendigen Speicherungen berücksichtigt.
Zu §42a:
Die Erweiterung des § 42a auch auf digitale Kopien zu Zwecken der Forschung und des eigenen Schulgebrauchs entspricht einem lange gehegten Wunsch der Universitätsbibliotheken Österreichs und ist eine lang fällige Anpassung an moderne Kommunikationstechnologien. Dies erlaubt es, Forschenden schneller als bisher gewünschte Unterlagen zur Verfügung zu stellen ohne dabei auf einen Kostenersatz verzichten zu müssen.
Zu §42d:
Die Erweiterung der Freien Werknutzung für „Menschen mit Behinderung“ wird begrüßt.
Es soll aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass durch die Einführung der Abgabe auf Speichermedien („Festplattenabgabe“) bei manchen Entschädigungsansprüchen zu hinterfragen ist, ob durch eine neuerliche von Verwertungsgesellschaften geltend zu machende Vergütung bei Vervielfältigungshandlungen, nicht die Endverbraucher oder die Wissensvermittler über Gebühr zur Kasse gebeten werden.
Wenn bereits für das Speichermedium gezahlt wurde, also die Vervielfältigung an sich hier bereits vorab vergebührt wird, ist es bedenklich, dass für die dann später tatsächlich erfolgende Vervielfältigungshandlung erneut bezahlt werden soll.
Zu §42f:
Die Vereinheitlichung des Zitatrechts auf alle Werkkategorien wird grundsätzlich
begrüßt. Uns erscheint die generelle Regelung des vorgeschlagenen § 42f Abs. 1 erster
Satz als völlig ausreichend.
Zur Z1: Hier wird, wie im bisherigen Zitatrecht darauf abgestellt, dass das entstehende
Werk ein bildendes wissenschaftliches ist. Erneut muss hier allerdings darauf hingewiesen
werden, dass die im Schulbereich vorgeschriebenen „Vorwissenschaftlichen Arbeiten“, universitären Seminararbeiten etc. vom Wortlaut dieser Bestimmung nicht umfasst sind. Der Absatz 2 wird als Klarstellung ausdrücklich begrüßt.
Zu §42g:
Diese neue Freie Werknutzung stellt die Erfüllung eines von den Universitäten lange gehegten Wunsches dar. Auf die mögliche doppelte Gebühreneinhebung sei erneut hingewiesen.
Zu §56b:
Es sollte die Gelegenheit genutzt werden, diesen Paragraphen sprachlich anzupassen. Die Einschränkung auf Bild- und Schallträger ist unzeitgemäß. Die Bestimmung sollte auf eine multimediale und digitale Nutzung ausgerichtet sein.
Allgemeine Anmerkungen:
Der Entwurf enthält in vielen Bereichen notwendige Anpassungen an geänderte technische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Dieses Reformvorhaben wird daher von Bibliotheksseite ausdrücklich unterstützt. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass aus Bibliothekssicht dieser Vorschlag noch nicht alle notwendigen Anpassungen enthält. Hier ist insbesondere auf folgende Punkte hinzuweisen:
- die Ungleichbehandlung von eBooks und gedruckten Medienwerken: Während durch die Novellierung des Buchpreisbindungsgesetzes im Jahr 2014 die Buchpreisbindung explizit auch auf eBooks ausgedehnt wurde, was auch mit ihrer Qualifikation als „Ware“ begründet wurde, fehlt eine solche Gleichstellung im Urheberrecht, wo digitale Inhalte als Dienstleistungen behandelt werden – mit weitreichenden Folgen für Bibliotheken und vor allem für ihre BenutzerInnen. Während herkömmliche Bücher von Bibliotheken ohne Einschränkungen erworben und im Rahmen etablierter urheberrechtlicher Rahmenbedingungen, die auch eine faire Vergütung der Autoren beinhalten, den Benützerinnen zur Verfügung gestellt werden können, unterliegen die Nutzung und Archivierung von eBooks unterschiedlichsten lizenzvertraglichen Bestimmungen – sofern der Erwerb von eBooks durch Bibliotheken nicht überhaupt von vornherein ausgeschlossen ist. Durch diese Ungleichbehandlung moderner Publikationsformen können Bibliotheken daher ihre Kernaufgaben in Bezug auf eBooks – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt erfüllen: die Sicherstellung eines chancengleichen Zugangs zu Wissen und Information und die Gewährleistung einer ausgewogenen, marktunabhängigen Versorgung mit neuester Literatur. Bibliotheken wünschen sich daher ein Urheberrecht, welches ihnen erlaubt – wie bei gedruckten Büchern – uneingeschränkt eBooks zu kaufen und zu verleihen. Für den Verleih von eBooks sollen die AutorInnen auch eine angemessene Vergütung erhalten (Bibliothekstantieme).
- Das Fehlen einer Nutzungsregelung für vergriffene Werke: Hier wäre eine Regelung wünschenswert, die es öffentlichen Institutionen ermöglicht, vergriffene Werke, die vor mehr als 50 Jahren erschienen sind und von den Verlagen nicht wieder aufgelegt werden oder deren Verlage nicht mehr existieren, der Öffentlichkeit zu angemessenen Bedingungen im Internet zur Verfügung zu stellen.
- Die Nutzung von Klappentexten, Inhaltsverzeichnissen und ähnlichem in Bibliothekskatalogen (Kataloganreicherung). Diese Services sollten Bibliotheken in einem sicheren Rechtsrahmen möglich sein.
- Umgehung von DRM-Maßnahmen für legitime Nutzungen (eigener Gebrauch). Digitale Archivierung wird vielfach von DRM-Maßnahmen vereitelt. Auch wenn die Info-RL die Umgehung von DRM-geschützten Dokumenten zum Zwecke freier Werknutzungen, was auch die Archivierung einschließt, dezidiert ausschließt, entspricht dieser Standard dennoch nicht der Aufgabe und dem Selbstverständnis von Bibliotheken, die auch Archivierungspflichten zu erfüllen haben.
- Data-Mining: Wissenschaftliche Forschungen, die auf der systematischen Anwendung statistischer Methoden auf große Datenbestände beruhen, sollten nicht durch urheberrechtliche Graubereiche verhindert werden. Idealerweise wäre dieser neue Forschungszweig durch eine Regelung wie etwa im Vereinigten Königreich zu fördern.
Die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare sowie der Büchereiverband Österreichs ersuchen um Überarbeitung des Entwurfs unter Berücksichtigung der vorgebrachten Vorschläge.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Werner Schlacher
Vereinigung Österreichischer
Bibliothekarinnen und Bibliothekare
Mag. Gerald Leitner
Büchereiverband
Österreichs