Please mind the gap(s)! Kunst als Daten im Kontext einer wissenschaftlichen Fachbibliothek (Young Information Scientist 7, 2022)

Tabea Lurk: Please mind the gap(s)! Kunst als Daten im Kontext einer wissenschaftlichen Fachbibliothek

Zielsetzung — Der Beitrag untersucht Herausforderungen bei der wissenschaftlichen Betrachtung von »Kunst als Daten«. Aus der Perspektive der Bibliothek einer Kunsthochschule wird gefragt, wie gut die beiden Systeme a) der Künste und b) des Wissenschaftsbetriebs miteinander kompatibel sind. Fallbeispiele helfen zunächst, die Anforderungen der Künste an das Datenmanagement zu spezifizieren. Da auch sorgsam verwaltete Daten nicht per se wissenschaftlich auffindbar sind, werden in einem zweiten Schritt Publikationstypen und Klassifikationen begutachtet. Als basale Trägerstrukturen spielen sie bei einer FAIRen, wissenschaftlichen Kommunikation eine zentrale Rolle.

Forschungsmethoden — Eine vergleichende Analyse bezieht die Erschließungsanforderungen von ausgewählten Sammlungen auf etablierte Datenmanagementzyklen. Die Effektivität der Erschließung wird dann aus einem Vergleich der Anforderungen (Abschnitt 2) und der bestehenden Werktypologien und Klassifikationen (Abschnitte 3.1 und 3.2) in Anwendung auf die FAIR-Principles
(Abschnitt 3.3) abgeleitet. Die verglichenen Modelle und Systeme stammen aus Literatur- und Internetrecherchen, einer Erhebung der Studienangebote (Institutslevel) der Kunsthochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie einer Sichtung der Vokabulare bzw. Förderkategorien, mit denen die Forschungsförderer der betrachteten Länder arbeiten.

Ergebnisse — Inkompatibilitäten und Referenzlücken fallen metadatentechnisch bei der Abdeckung der künstlerisch-gestalterischen Werkformen (Typologien) und der Fächer (Klassifikationen) auf. Während sich fehlende Werktypen negativ auf die Zitierfähigkeit auswirken, erschweren Klassifikationslücken das (automatisierte) Auffinden der Werke auch dort, wo diese als Daten vorliegen und normierte Schnittstellen der Repositorien (OAI-PMH) verfügbar sind. Die mangelnde Auffindbarkeit wirkt sich nicht nur auf die Qualität der Informationsversorgung aus. Sie kann dort gravierende Folgen haben, wo (Förder-)Mittel und/oder Subventionen impact-basiert ausgeschüttet werden und die Impact-Messung automatisiert erfolgt.

Schlussfolgerungen — Zwar können Werktypologien und Klassifikationen angepasst und die Zitier fähigkeit von Werken mittels persistenter Identifikatoren sowie normierter Daten (GND, ORCID, VIAF, Wikidata ID) verbessert werden. Der Impuls zur Ausweitung des Bestehenden muss aber aus den Kunsthochschulen (Leitungsebene) kommen. Hier werden die Verfahren, die aus künstlerisch-gestalterischen Werken bspw. über Forschungsrepositorien FAIRe, wissenschaftliche Quellen machen, offenbar nur teilweise akzeptiert. Die primäre Zielgruppe, die Community der Hochschulangehörigen und Forschenden, fühlt sich nicht ernstgenommen oder gut repräsentiert durch die bestehenden Systematiken und publiziert ihre Daten lieber gleich auf eigene Faust auf Portalen und über Kanäle, die sie für angemessen(er) hält. So sind die Nachweise der Publikationsserver und Repositorien lückenreich und ggf. nicht repräsentativ. Wandern Daten, die an Hochschulen produziert werden und/oder kulturelle Güter, die angeboten aber abgelehnt werden, in vermeintlich soziale (Social Media) und/oder kommerzielle Plattformen ab, werden sie für die künftige Forschung, Lehre und Gesellschaft unzugänglich.

 

Tabea Lurk: Please mind the gap(s)! Chances and Challenges resulting from a scientific consideration of art as data

Objective — The article examines challenges in the academic consideration of “art as data”. From the perspective of the library of an art academy, the compatibility of the systems of a) academia on the one hand and b) the arts on the other hand is examined. First case studies help to specify the data management requirements of the arts. Since even carefully managed data is not per se discoverable, publication types and classifications are examined in a second step. They play a central role in FAIR scholarly communication and are thus finally explored as basic carriers.

Methods — A comparative analysis relates the cataloging requirements of selected collections to established data management cycles. Cataloging effectiveness is then derived from a comparison of these requirements (Part 1) and existing work typologies and classifications (Part 2). The models and systems compared derive from literature and Internet research, a survey of the study programs (at the institute level) offered by the art academies in Germany, Austria and Switzerland and a review of the vocabularies or funding categories used by research funders in the countries under consideration.

Results — Incompatibilities and gaps in reference are particularly noticeable in the metadata coverage of artistic and creative work forms (typologies) and classification schemes. While missing work types affect the citability of artistic and creative works, gaps in classification make it difficult to (automatically) find the works even where they are available as data, and addressable e.g. via OAI-PMH interfaces. This lack of accessibility not only affects the quality of the information supply at art libraries. It can become detrimental when funding and/or subsidies are distributed on an impact basis and impact measurement is automated.

Conclusions — Although work typologies and classifications can be adapted and the citability of published works might be improved by means of persistent identifiers (Handle, DOI) and standardized data (GND, ORCID, VIAF, Wikidata ID). However, the impetus for this must come from the art academies (management level). Here, the systems and procedures that turn artistic and creative works into FAIR scientific sources, for example via research repositories, are only partially accepted. The primary target groups, the community of university members and researchers, do not perceive themselves as being taken seriously or well represented by the existing systems. They prefer publishing their data on their own term and/or channels they consider appropriate. Thus, records and indices from publication servers and repositories are patchy. If data produced at universities and/or cultural goods, that were offered but rejected, migrate to supposedly social (media) and/or commercial platforms, they become inaccessible for future research, teaching, and society.

 

Veröffentlicht in: Young Information Scientist, Jg. 7 (2022), S. 29-46.
Online: https://doi.org/10.25365/yis-2022-7-3

Young Information Scientist (YIS) wurde bis Ende 2022 vom Verein zur Förderung der Informationswissenschaft (VFI), Wien, herausgegeben. Seit 01.01.2023 erfolgt die Herausgabe durch die Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB). Alle Beiträge unterliegen einem Peer Review. ISSN 2518-6892.

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