Palimpsest in Codex Vindobonensis georgicus 2 erforscht

Unter vielen Schichten verborgen: eine bisher unbekannte Sprache und Schrift des ostkirchlichen Christentums

Ulrike Jaspers, Marketing und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

FRANKFURT. Zehn Jahre lang ist ein Forscherteam unter Leitung des Frankfurter Sprachwissenschaftlers Prof. Jost Gippert der Frage nachgegangen, welche Texte in drei Palimpsest-Handschriften verborgen sind, die für die Entwicklung des ostkirchlichen Christentums und des Schrifttums im Kaukasus von erheblicher Bedeutung sind. Jetzt ist es den deutschen, französischen und georgischen Wissenschaftlern gelungen, den Inhalt zu entschlüsseln.  …

Bei den jetzt untersuchten Handschriften handelt es sich um zwei 1994 im Katharinen-Kloster auf dem Sinai entdeckte Palimpseste sowie um den Codex Vindobonensis georgicus 2, eine umfangreiche Handschrift, die aus einem ehemaligen georgischen Kloster in Jerusalem stammt und etwa seit den 1930er Jahren in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt wird. Die untere Schicht dieser Handschrift stammt aus 16 verschiedenen Originalhandschriften und enthält einige der ältesten Texte der georgischen Literatur überhaupt. Die beiden Codices vom Sinai, deren jüngere, obere Schicht ebenfalls georgisch ist, basieren auf mindestens sechs verschiedenen Originalhandschriften aus dem frühen Mittelalter, die in vier unterschiedlichen Sprachen und Schriften des ostkirchlichen Christentums geschrieben sind – Armenisch, Georgisch, Syrisch und Kaukasisch-Albanisch. 

Mit neuen technologischen Verfahren, bei denen die einzelnen Textschichten und das Schreibmaterial durch Scheidung der unterschiedlichen Anteile am Farbspektrum fotografisch von einander getrennt werden, konnten jetzt wesentliche Fortschritte bei der Entzifferung der älteren, unteren Textschichten erzielt werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei die kaukasisch-albanischen Fragmente in den Sinai-Palimpsesten, da mit ihnen das erste handschriftliche Material dieser im 5. Jahrhundert verschriftlichten, bisher jedoch praktisch unbekannten Sprache vorliegt. Es handelt sich um etwa die Hälfte des Johannes-Evangeliums sowie zahlreiche andere Lesungstexte aus dem Neuen und Alten Testament, deren kaukasisch-albanische Übersetzung etwa aus dem 7. Jahrhundert stammen dürfte. Die jetzt erschienene zweibändige Erstedition, die im wesentlichen in Zusammenarbeit von Prof. Jost Gippert (Frankfurt) und Prof. Wolfgang Schulze (München) erarbeitet wurde, erschließt dieses Material mit umfangreichen Angaben zur Geschichte, zur Schrift, zur Grammatik und zum Wortschatz des Kaukasisch-Albanischen. …

Quelle: http://idw-online.de/pages/de/news313720

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