Die Legionäre des Kaisers. Soldatenleben im römischen Ägypten
Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek
Heldenplatz, Neue Burg, 1010 Wien
17. Juni 2011 – 14. Jänner 2012
Dienstag – Samstag 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 21 Uhr
Web: http://www.onb.ac.at/ausstellungen/soldatenleben/index.htm
Die aktuelle Ausstellung im Papyrusmuseum Die Legionäre des Kaisers. Soldatenleben im römischen Ägypten beleuchtet die Armee des Imperium Romanum zum ersten Mal von einem außergewöhnlichen Blickwinkel – aus der Sicht der Soldaten selbst. Das in Ägypten stationierte römische Militär hat in zahlreichen Schriftzeugnissen auf Papyrus vielfältige und aufschlussreiche Zeugnisse seiner Aktivitäten hinterlassen. Das Heer der Kaiserzeit (1. – 6. Jh. n. Chr.) ist aus den Beschreibungen antiker Autoren und Inschriften bestens bekannt, seine Ausrüstung in tausenden archäologischen Fundstücken bezeugt. Nachdem Ägypten 30 v. Chr. dem Imperium Romanum einverleibt worden war, blieb es fast 700 Jahre lang ein wichtiger Teil dieses Reiches.
In den ausgestellten Objekten treten uns die Soldaten jedoch nicht als martialische Militaristen entgegen, sondern als Diener des Staates und Garanten der Sicherheit, als tüchtige Geschäftsmänner, gute Kameraden und sorgende Familienmitglieder. Das dienstliche und private Leben dieser am besten dokumentierten Berufsgruppe des Altertums wird eindrucksvoll sichtbar gemacht.
Die über 60 repräsentativen Papyri dieser einzigartigen Schau stammen aus den Militärkanzleien oder nehmen unmittelbar auf Soldaten und Veteranen Bezug. Sie eröffnen faszinierende Einblicke sowohl in interne Mechanismen des römischen Militärapparates als auch in den Alltag und die Lebensumstände der „gewöhnlichen“ Soldaten und ihrer Familien.
Die vielfältigen Aufgabenbereiche der Soldaten
Inhaltlich führen die Texte zudem die vielfältigen Wirkungsbereiche der Soldaten vor Augen. In den ersten drei Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit war die Armee das einzige Organ des Staates, da es keinen zivilen Beamtenapparat gab. Ihre Hauptaufgabe war die militärische Verteidigung, bis in das 2. Jh. n. Chr. bisweilen auch die Erweiterung des Reiches. Neben der Sicherung und Kontrolle der langen Grenzen stellte die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, die Garantie des Kaiserfriedens (pax Augusta), eine zweite wichtige Aufgabe dar. Den Soldaten oblagen auch Dienste im polizeilichen Bereich wie die Überwachung der Verkehrswege, Wach- und Ordnungsdienste, Unterstützung der Rechtsprechung und vor allem vielfältige Tätigkeiten im administrativen Bereich.
In allen Kanzleien der Statthalter und Finanzprokuratoren arbeiteten Soldaten als Schreibpersonal, außerdem auch im Gerichtsdienst und in der Buchhaltung.
Neben den militärischen und administrativen Aufgaben wurden die Soldaten auch für infrastrukturelle Maßnahmen herangezogen und für Arbeitsdienste eingeteilt. Die Armee verfügte über technische Spezialisten, die man für den Straßen- und Aquäduktbau, die Errichtung öffentlicher Gebäude und sonstige Arbeitsdienste einsetzte. Soldaten fungierten als staatliche Kuriere, unterstützten und forcierten mitunter die Steuereintreibung und erfüllten diplomatische Missionen innerhalb und außerhalb des Reiches.
Während der gesamten Kaiserzeit bot der Dienst in der Armee zugleich Lebensunterhalt und die Möglichkeit zu sozialem und wirtschaftlichem Aufstieg. Bis zur Constitutio Antoniniana (212 n. Chr.), die allen freien Einwohnern des Reiches (peregrini) das römische Bürgerrecht verlieh, war der Dienst bei den Hilfstruppen (auxilia) für die „Ausländer“ ein begehrter Weg, um zugleich mit der Entlassung das Bürgerrecht zu erhalten. Die höheren Ränge der Armee dienten als Kaderschmiede der staatstragenden Elite.
In vielen Regionen bewirkte die Anwesenheit römischer Truppen zugleich einen wirtschaftlichen Aufschwung und eine Romanisierung. In allen Teilen des Reiches einheitlich organisiert, war die Armee zugleich verbindendes Element, Institution und Instrument des römischen Staates, das Chancen zum sozialen Aufstieg bot.
Highlights der Ausstellung
Gefallene im jüdischen Aufstand in Ägypten
Das Originaldokument aus der Kanzlei der römischen Heeresverwaltung ist eine jener sehr seltenen Papyrusurkunden, die unmittelbar auf konkrete historische Ereignisse zu beziehen sind: den jüdischen Aufstand, der während der Regierungszeit des Kaisers Trajan Ägypten erschütterte. Dem Dokument sind die hohen Verluste der Römer zu entnehmen.
Das Schriftstück listet die Namen von Soldaten der beiden im 1. und frühen 2. Jh. n. Chr. in Ägypten stationierten Legionen auf: der legio III Cyrenaica und der legio XXII Deiotariana. Da die legio III Cyrenaica um 120 n. Chr. in die Provinz Arabia verlegt worden war, ist die Liste vermutlich vor diesem Zeitpunkt entstanden.
Historische Bedeutung erhält das Dokument durch verschiedene gekürzte Eintragungen vor den Namen der Legionäre. Sie halten fest, dass ein Soldat tr(anslatus), „versetzt“, oder te(tatus), „verstorben“ ist. Mindestens acht der 28 aufgelisteten Soldaten werden als verstorben bezeichnet, und drei der neun Zenturien stehen ohne nachfolgenden Namen eines centurio, hatten also zu dieser Zeit keinen Kommandanten. Die außergewöhnlich hohe Zahl von Verstorbenen führt in Hinblick auf die Datierung der Liste am Beginn des 2. Jh. n. Chr. zu der plausiblen Vermutung, dass das vorliegende Dokument aus der Zeit des großen jüdischen Aufstandes in Ägypten (115–117 n. Chr.) stammt und somit die hohen Verluste der römischen Armee in dieser blutigen Revolte bezeugt.
Personalakt eines Kavalleristen
Die Papyrusrolle ist ein einzigartiges und besonders bedeutendes Dokument der römischen Militärgeschichte. Sie ist der einzige erhaltene Personalakt eines römischen Soldaten und stellt somit ein überaus wertvolles Highlight der Ausstellung dar.
Die Rolle enthält die Abschriften von drei amtlichen Schreiben aus der Militärverwaltung, die in den Jahren 395, 396 und 401 n. Chr. verfasst worden sind. Adressiert sind alle drei Schriftstücke an (verschiedene) Kommandanten des Lagers Psophtis in der Kleinen Oase El-Qasr westlich des Niltals. In jeweils einer Kolumne dokumentieren die Schreiben die drei wichtigsten Etappen der militärischen Laufbahn eines Kavalleristen namens Sarapion: zunächst sein Avancement vom einfachen Soldaten (miles munifex) zum graduierten Panzerreiter (cataphractarius), danach die Beförderung vom
cataphractarius zum Offizier (decurio) und schließlich sein Abschied aus dem Militärdienst aus
gesundheitlichen Gründen. Somit enthält das Dokument alle relevanten Angaben über die Laufbahn des Sarapion und kann heute als eine Art „Personalakt“ gelten, mit dem Sarapion auch seinen Dienst und seine ordnungsgemäße Entlassung belegen konnte.
Ein Rechtsstreit um Grundbesitz
Die Urkunde ist von besonderem Interesse für die Rechtsgeschichte, denn sie beleuchtet unter anderem die jurisdiktionelle Kompetenz des Stadtrates und gibt wertvolle Details über die Ladungsvorgänge preis, die ein Verfahren nach römischem Recht einleiteten.
Aurelia Demetria, Tochter des Ratsherrn Polydeukes und Gattin des Ratsherrn Amazonius, hat diese Klageschrift bei Sallustius Olympiodorus, dem Vorsteher des Stadtrates (curia) von Hermupolis eingereicht. Sie wollte eines ihrer Grundstücke an Eys, Gattin des Saprikios verkaufen, wobei sie als Anzahlung zwei vollgewichtige Goldstücke und ein kleines Goldstück bekommen hat. Anstelle weiteren Geldes sollte Eys die fälligen, auf dem Grundstück lastenden Steuern bezahlen. Doch sie zahlte die Steuer nicht, und auf eine schriftliche Aufforderung (oder Klage) der Demetria, ihr binnen zehn Tagen den verabredeten Preis (d.h. die Steuerleistung) zu refundieren, antwortete sie durch eine Gegenschrift (libellus contradictorius), in dem ein beneficiarius (Soldat im Stubendienst) namens Heron nun seinerseits Forderungen an Demetria stellte. In welcher Funktion der Soldat sich auf Seiten der Eys einschaltete, wird aus dem Text nicht deutlich.
Ein Veteran betreibt Geldgeschäfte
Das Schriftstück veranschaulicht die Tätigkeit eines Veteranen im Geldgeschäft und führt den modern anmutenden „bargeldlosen Geldverkehr“ römischer Bankiers vor Augen.
In der vollständig erhaltenen Urkunde ist die Übertragung eines Grundstückes von der derzeitigen Besitzerin, Ptolemais, auf einen Mann namens Maron niedergelegt.
In die Abwicklung des Geschäftes war der Veteran Marcus Valerius Proclus involviert, der die finanzielle Transaktion bewerkstelligte: „(Zeilen 12–13) … Ptolemais erhielt für die Übertragung (des Landes) von Maron als den vereinbarten Preis die Summe von 900 Drachmen, und zwar durch M. Valerius Proclus von dem Konto Marons zufolge einer cheirographischen Urkunde und Gutschrift auf des Herkleides’ Wechselbank der
Schatzhäuserstraße 500 Drachmen in Silber; den Rest im Betrag von 400 Drachmen in Silber [ – ] durch des Isidoros’ Bank durch ausgestellte Anweisungen“.
Ein Kavallerist verpachtet eine Bäckerei
In diesem Schriftstück sind die privaten, geschäftlichen Angelegenheiten eines Kavalleristen dargelegt. Die Betätigungen des Mannes können als „Nebenerwerb“ zu seinem Militärdienst bezeichnet werden.
Flavius Callinicus Iuvinianus, der im numerus der Leontoclibanarii – einem Eliteverband der gepanzerten Kavallerie – seinen Dienst versah, ist aus mehreren Papyrustexten bekannt, nach denen sein Aufstieg vom einfachen Reiter zum Vizekommandanten (primicerius) seiner Einheit rekonstruiert werden kann. In der vorliegenden Urkunde, tritt er jedoch in einer privaten, geschäftlichen Angelegenheit auf: als Verpächter einer Bäckerei im Dorf Metrodoron in Mittelägypten. Pächter ist der leibliche Bruder des Callinicus, der im numerus Transtigritanorum bei der Infanterie diente. Die beiden repräsentieren eine Familie, in welcher der Militärdienst Tradition hatte: Schon der Vater der Brüder stand unter den Fahnen.
Kreditgeschäft unter Kameraden
Die Urkunde ist ein gutes Beispiel für einen elaborierten Darlehensvertrag des 5. und früheren 6. Jh. n. Chr. mit Konsulsdatierung, ausführlich formuliertem Corpus, den Unterschriften von mehreren Zeugen und jener des Notars.
Die vollständig erhaltene Urkunde beinhaltet ein Kreditgeschäft unter Soldaten. Der Panzerreiter Flavius Menodorus leiht dem Infanteristen Flavius Menas den namhaften Betrag von 13 vollgewichtigen Goldsolidi, die Menas in Raten zu zwei Goldsolidi pro Jahr zurückzahlen soll. In Flavius Menodorus tritt uns ein weiterer Soldat der Leontoclibanarii entgegen, dessen militärische Karriere und wirtschaftliche Tätigkeit durch eine Handvoll Papyri erhellt wird.
Gardekommandant honoris causa
Dieses Schreiben betrifft eine komplizierte Angelegenheit im Zusammenhang mit einem Zwangsdienst für die Steuererhebung und ist vor allem wegen seines Adressaten von Interesse.
Es richtet sich an Flavius Eustochius, den „großartigen Gefolgsmann der sehr loyalen Gardisten“ (magnificentissimus comes der devotissimi domestici), in dessen Eigenschaft als Vorsitzender des Rates der mittelägyptischen Stadt Arsinoiton Polis. Die domestici waren im 4. Jh. n. Chr. eine Eliteeinheit der Garde. Ihr Kommandant, der comes domesticorum, war einer der höchsten und – wegen seiner Anwesenheit am Kaiserhof – mächtigsten militärischen Amtsträger des Reiches. Seit dem Beginn des
5. Jh. n. Chr. wurde der Titel jedoch auch ehrenhalber an Personen zivilen Standes verliehen. Bei Flavius Eustochius spricht die Kombination mit einem munizipalen Amt dafür, dass auch er in Wirklichkeit kein Gardekommandant war, sondern lediglich den durch die Titelinflation schon etwas abgewerteten Ehrentitel erhalten hatte.