Bilder einer Ausstellung: Wien 1365. Eine Universität entsteht (ÖNB, 6.3.-3.5.2015)

Gestern habe ich es endlich mal in die neue Prunksaal-Ausstellung der ÖNB geschafft. Anbei ein paar Fotos, die ich dabei mit dem Smartphone und – natürlich – ohne Blitz, gemacht habe:

Das Fazit:

An sich eine tolle Ausstellung mit über 100 herausragenden Objekten, einzigartigen Handschriften, großformatigen Urkunden und frühen Drucken zur Gründungs- und Frühgeschichte der Wiener Universität. Sehr beeindruckend.

Trotzdem sei erlaubt, auch ein paar Eindrücke wiederzugeben, die das schöne Gesamtbild vielleicht etwas trüben:

1. Erstmals hat man sich wohl in der ÖNB an einem neuen Konzept versucht. Es gibt keine Beschriftungen zu den ausgestellten Objekten … falls sie nun glauben, sie hätten sich verlesen, wiederhole ich das gerne nochmals in Versalien und in Fettdruck: KEINE OBJEKTBESCHRIFTUNGEN! Wobei … zumindest die Vitrinen sind durchnummeriert. Aber sonst: nichts!

2. Statt der Beschriftungen gibt es immerhin eine kleine Broschüre im Format DIN A5, in der die einzelnen Objekte kurz beschrieben sind. Die Broschüre liegt am Beginn der Ausstellung auf. Das wirklich überaus freundliche und zuvorkommende Aufsichtspersonal (großes Lob!) weist bei Betreten des Prunksaals gleich darauf hin, dass Informationsmaterial zur Ausstellung vorne rechts bereitliegt. Zu diesem Zeitpunkt ist einem aber noch nicht klar, dass es keine Beschriftungen gibt (siehe Pkt 1!). Also steuert man wie üblich – man will ja keine Folder rumtragen – die ersten Vitrinen an und reibt sich dann davor stehend verwundert die Augen, denn – die geneigte Leserin/der geneigte Leser hat es nunmehr erraten – man findet keine Beschriftungen, bemerkt aber dann andere Besucher, die verzweifelt in einer Broschüre hin- und herblättern … Also zurück an den Anfang … und die Broschüre mitnehmen.

3. Die ausgestellten Objekte sind nun in der Broschüre schön aufgelistet und mit kurzen erklärenden Texten versehen. Wunderbar, allein die Zuordnung zu den realen Objekten ist ein wenig erschwert, gibt es doch bloß die vorhin schon angesprochenen Vitrinennummern. Die Objekte sind deshalb auch in der Broschüre nur nach den Vitrinennummern numerisch geordnet. Finden sich in einer Vitrine mehrere Objekte, dann wird es zur Denksportaufgabe, denn diese Objekte weisen dann alle die – erraten – selbe Nummer auf und haben keine Abbildung dabei, die weiterhelfen könnte. In der Regel geht es wohl von rechts nach links, gleichzeitig zählt man die Eingaben zur selben Vitrinennummer in der Broschüre nach, um sich ja die richtige Beschreibung zum anvisierten Objekt zu Gemüte zu führen. Jetzt wird auch klar, wieso die vorhin beobachteten Besucher so verzweifelt hin- und hergeblättert haben. Welche ist denn nun diese Handschrift? Die Nr. 12 oder die andere Nr. 12 oder gar diese Nr. 12? Eine Vitrine enthält beispielsweise u.a. mehrere universitäre Siglen, die auch übereinander platziert sind … da habe ich mir die Verifikation nicht mehr angetan. Sie waren auch so schön.

4. Bedingt die Ausstellung von zumeist Flachware automatisch eine puristische Ausstellungsarchitektur? Ich weiß es nicht. Geht der Purismus zu weit, hat man allerdings gar keine Ausstellungsarchitektur mehr. Hier wird die Flachware zumeist nur in den bekannten, aber immerhin durchnummerierten (Achtung Ironie!) ÖNB-Vitrinen präsentiert. Daneben gibt es dann eine Videowand im Mittelteil, auf der Treppen empor- und herabsteigende Universitätsbesucher zu ihren filmischen Ehren kommen. Es geht also mit der Universität Wien auf und ab. Gegenüber hängt die Nachbildung der imposanten Grabhülle von Rudolf, dem (Universitäts-)Stifter, ein Gold-Seide-„Tartarenstoff“ mit arabischen Inschriften, von der Decke. Gut, diesen Mortalitätshinweis sollte man wohl nicht in einen Konnex zum auf der anderen Seite stattfindenden universitären Treppensteigen bringen. Weiters wurde in Folge noch ein Lesepult mit Kopfhörern als Hörstation aufgestellt, wo man sich einen Vorlesungsbeginn des Conrad Celtis anhören kann (auf Latein mit zugespielter studentischer Unruhe – ohne Übersetzung). Zwei gesichtslose Puppen, eine einen roten pelzbekragten, die andere einen schwarzen Talar tragend, stehen unvermutet zwischen zwei Vitrinen exakt dort, wo eigentlich nach den Angaben der Broschüre unter Nr. 33 die Hörstation gefunden werden sollte,  die aber anderswo platziert wurde. Mangels Beschriftung und broschürenhafter Erklärung weiß man nicht, wer oder eher welche universitäre Funktion hier dargestellt werden soll. Jedenfalls: Ein bisschen mehr an typografischer Führung durch die Ausstellung hätte mit Sicherheit nicht geschadet.

5. Trotz allem geht man reich belehrt und zufrieden aus der Ausstellung. Ah ja fast; doch noch eines: Beim Verlassen wird einem die Broschüre wieder abgenommen … Sehr, sehr höflich, zugegeben; dem Aufsichtspersonal ist das offensichtlich genauso peinlich wie mir. Man will es zuerst gar nicht glauben, die paar zu einer Broschüre gehefteten Blätter, waren also nur für den direkten Ausstellungsbesuch gedacht und wurden anscheinend in so geringer Anzahl produziert, dass die künftigen Massen an Besuchern mit dem von mir abgegriffenen Exemplar noch ihr Auslangen finden müssen? Das ist mir noch nie passiert! Und ich bin ein eifriger Ausstellungsbesucher. Anderswo gibt es Objektbeschriftungen und zum Teil noch zusätzlich Folder, die man mitnehmen kann (etwa im KHM). Zum Glück habe ich in dem ÖNB-Broschürenexemplar keine Notizen gemacht und auch keine Seitenecken zu Eselsohren verbogen. … Mittlerweile verstehe ich es auch: Hier ersetzt die Broschüre ja die Objektbeschriftungen und letztere nimmt man auch bei anderen Ausstellungen nicht einfach mit 😉

6. Trotzdem will man ja als durchschnittlich historisch und kulturell interessierter Ausstellungsbesucher die Memoria an das Gesehene wachhalten. Man kauft also den wunderbar aussehenden Katalog, und erwartet sich darin neben Aufsätzen zum Generalthema u.A. eine Auflistung der ausgestellten Objekte, also eigentlich mindestens den Abdruck des Inhalts der Broschüre im Katalogteil. Doch weit gefehlt. Der Katalog ist kein Katalog im eigentlichen Sinn, sondern ein Begleitband: ein zugegeben außerordentlich schön gestal­te­ter, groß­for­ma­ti­ger und opulent ausgestatteter Begleitband mit 15 reich bebil­der­ten Beiträgen auf 288 Seiten Umfang (siehe dazu: Der Begleitband zur ÖNB-Ausstellung: Wien 1365 – eine Universität entsteht). Jetzt fehlt zu Hause nur mehr der dazu passende coffe table. Ein Verzeichnis der aus­ge­stell­ten Handschriften, Bücher, Urkunden und Gegenstände fin­det sich darin aber lei­der nicht. Die 20 Seiten zusätzlich hätten nun wirklich auch nicht mehr geschadet. Mangels genauer Kenntnis, was ich denn nun genau gesehen habe, bleiben deshalb auch die oben präsentierten „Bilder einer Ausstellung“ ohne nähere Objektbeschriftung. Mir gefällt langsam dieser puristische Ansatz …

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