Erster Druck der syrischen Peschitta-Bibel entstand 1555 in Wien – Nationalbibliothek stellt digitalisierte Version ins Netz
Wien, 07.06.2011 (KAP) Eine kostbare syrische Bibel aus dem 16. Jahrhundert – der erste Druck der sogenannten „Peschitta-Bibel“ – ist ab sofort über den Katalog der österreichischen Nationalbibliothek online verfügbar. Der Bibeldruck entstand 1555 im Wien. Er basiert auf einer Übersetzung aus dem 5. Jahrhundert. Bis heute ist der syrische Text der Bibel in der syrisch-orthodoxen Kirche sowie in der Apostolischen Kirche des Ostens in Gebrauch.
Wie und warum der erste Druck der syrischen Bibelübersetzung gerade in Österreich erfolgte, erläuterte gegenüber „Kathpress“ der an der Universität Salzburg lehrende Kirchenhistoriker Prof. Aho Shemunkasho. So geht der Bibeldruck auf die Zusammenarbeit zwischen dem syrisch-orthodoxen Mönch Moses von Mardin und dem aus Schwaben stammenden Diplomaten und Gelehrten Johann Albert Widmannstad [recte: Johann Albrecht Widmannstetter] zurück.
Die beiden lernten sich zunächst in Rom kennen. Widmannstad [Widmannstetter] galt als äußerst sprachbegabter Theologe und Jurist, der als einer der ersten Europäer überhaupt die aramäische Sprache erlernte. Schließlich erarbeiteten sie in Wien das – nun digitalisiert vorliegende – Evangeliar. Entsprechend heißt es im Anschluss an den Evangelientext auf Syrisch, dass die Bibelvorlage für den Druck „in Wien“ zur Zeit des „Ferdinandus, des römischen Königs“ entstand. Abgeschlossen wurden die Arbeiten am 10. August 1554. Der Druck erfolgte dann einige Monate später.
Zuletzt hatte die ökumenische Stiftung „Pro Oriente“ gemeinsam mit der türkischen Artuklu-Universität in Mardin im Tur Abdin eine Tagung über die Bedeutung der altsyrischen Christen für den christlich-muslimischen Dialog veranstaltet. Dabei hatte Shemunkasho u. a. auch die Entstehungsgeschichte des Wiener Drucks der „Peschitta-Bibel“ skizziert. Die Tagung stellte laut „Pro Oriente“-Präsident Johann Marte einen „Meilenstein auf dem Weg zu einem gleichberechtigten Miteinander der Religionen und Kulturen in der Region von Mardin“ dar.
Mardin war seit frühchristlicher Zeit einer der Brennpunkte des syrischen Christentums. Vor dem Völkermord an den christlichen Minderheiten in der Türkei 1915 waren nahezu 50 Prozent der Bewohner Mardins Christen – in absoluten Zahlen rund 25.000. Heute leben in der gesamten Region um Mardin inklusive dem angrenzenden Tur Abdin nicht mehr als 3.000 Christen.
Die digitalisierte Peschitta-Bibel ist im Internet unter http://data.onb.ac.at/dtl/2933415 abrufbar.
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