Stellungnahme der ÖNB zum Ministerialentwurf für eine Urheberrechts-Novelle 2015

Betrifft: Ministerialentwurf für eine Urheberrechts-Novelle 2015 (GZ: BMj-Z8.119/0023-1 4/2015)

Die Österreichische Nationalbibliothek dankt dem Justizministerium für die Gelegenheit, zu der vorgeschlagenen Änderung des Urheberrechtsgesetzes und des Verwertungsgesellschaftengesetzes 2006 Stellung zu nehmen.

Vorbemerkung

Der vorgelegte Entwurf enthält in vielerlei Hinsicht notwendige Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen. Dieses Reformvorhaben wird daher von der Österreichischen Nationalbibliothek ausdrücklich unterstützt und in großen Teilen befürwortet. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass dieser Vorschlag noch nicht alle aus Bibliothekssicht erforderlichen Anpassungen enthält. Auf die aus Sicht der Österreichischen Nationalbibliothek noch regelungsbedürftigen Punkte wird im Anschluss an die folgenden Anmerkungen zu den einzelnen Regelungsvorschlägen näher eingegangen.

Zur Bewertung des Vorschlags:

Zu §42 (6): Die Erweiterung dieser freien Werknutzung auf andere Bildungseinrichtungen als Schulen und Universitäten wird ausdrücklich begrüßt. Diese Definition ist dynamisch und bewirkt damit nachhaltig Rechtssicherheit.

Zu §42 (7) u. (8): Die Regelung für Sicherheits- und Archivkopien berücksichtigt nun insbesondere auch die im Rahmen der Digitalisierung notwendigen, oftmals aus technischen Gründen notwendigen mehrfachen Speicherungen (zB. verschiedene Formate und Systemumgebungen) und stellt gleichzeitig eine gelungene Umsetzung der Richtlinienvorgaben dar.

Zu §42a: Die Erweiterung des § 42a auch auf digitale Kopien zu Zwecken der Forschung entspricht einem dringenden Anliegen und ist eine lang fällige Anpassung an moderne Kommunikationsmittel. Dies erlaubt es, sowohl privaten als auch institutionellen Forschenden die erforderlichen Materialien auf eine zeitgemäße Weise zur Verfügung zu stellen, ohne dabei auf einen Kostenersatz verzichten zu müssen.

Zu §42d: Die Erweiterung der freien Werknutzung für „Menschen mit Behinderungen“ ist aus Sicht der Bibliothek notwendig und folgerichtig.

Zu §42f: Die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Zitatrechts und die Berücksichtigung der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur wird ausdrücklich befürwortet. Ganz grundsätzlich sollte ein vom Urheber der Öffentlichkeit zur Verfügung gestelltes Werk auch angemessen zitiert werden können. Unklar sind jedoch weiterhin die Grundlagen für ein Zitat von Werken der bildenden Kunst. Zwar legen die Erläuterungen zu § 42f eine Werkkategorien übergreifende Regelung nahe und führen aus, dass nach dem Entwurf nun auch das Kleinzitat an Werken der bildenden Künste möglich sei. Mit dem Wortlaut der Ziffer 5, wo auf „einzelne Stellen“ eines Werks abgestellt wird, ist das aber kaum in Einklang zu bringen. Ob nun etwa auch universitäre Seminararbeiten oder die im Schulbereich vorgeschriebenen „Vorwissenschaftlichen Arbeiten“ etc. Werke der bildenden Kunst zitieren können, bleibt daher im Dunkeln. Angeregt wird daher, hier eine eindeutigere Regelung vorzusehen. Absatz 2 wird hingegen als eine notwendige Berücksichtigung des Internets als Publikationsmedium ausdrücklich begrüßt.

Zu §42g: Die Erweiterung der freien Werknutzung für Zwecke des Unterrichts und der Lehre um die Intranet-Nutzung von Werken in Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen ist aus Sicht der Österreichischen Nationalbibliothek ein richtiger und wichtiger Reformschritt.

Wie bereits eingangs erwähnt, unterstützt die Österreichische Nationalbibliothek das Vorhaben, das Urheberrecht an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen. Dazu wären aber aus Bibliothekssicht noch angemessene Regelungen und Klarstellungen in den nachfolgend angeführten Bereichen erforderlich:

  • Benutzung von Bild- oder Schallträgern in Bibliotheken (§ 56b)
    Diese Bestimmung, die sowohl von ihrem Entstehungshintergrund her als auch ihrem Wortlaut nach auf „klassische“ AV-Trägermedien (Schallplatte, Videobänder, etc.) zugeschnitten ist, sollte sprachlich angepasst werden, um klarzustellen, dass davon auch die Benutzung auf Basis digitaler Speichermedien umfasst ist. Dies wäre in Hinblick auf die vorgeschlagene Neufassung des § 42b, wonach die Begriffe „Bildoder Schallträger“ durch den Begriff „Speichermedium“ ersetzt werden sollen, eine nur konsequente und einfach umzusetzende Modernisienmg. Gleichzeitig könnte klargestellt werden, dass diese Bestimmung auch für jene Nutzungen gilt, bei denen die auf einem Arbeitsplatz in der Bibliothek wiedergegebenen Werke über einen Massenspeicher (Intranet-Server) eingespielt werden.
  • eBooks
    Herkömmliche gedruckte Medienwerke und eBooks werden im Urheberrecht ungleich behandelt. Während durch die Novellierung des Buchpreisbindungsgesetzes im Jahr 2014 die Buchpreisbindung explizit auch auf eBooks ausgedehnt wurde, was auch mit ihrer Qualifikation als „Ware“ begründet wurde, fehlt eine solche Gleichstellung im Urheberrecht, wo digitale Inhalte als Dienstleistungen behandelt werden. Das hat für Bibliotheken, vor allem aber für ihre Benutzerinnen weitreichende Folgen: Während herkömmliche Bücher Bibliotheken ohne Einschränkungen erworben und im Rahmen etablierter urheberrechtlicher Rahmenbedingungen, die auch eine faire Vergütung der AutorInnen beinhalten, den BenützerInnen zur Verfügung gestellt werden können, unterliegen die Nutzung und Archivierung von eBooks unterschiedlichsten lizenzvertraglichen Bestimmungen – sofern die bibliothekarische Erwerbung und Nutzung von eBooks nicht sogar von vornherein vertraglich ausgeschlossen wird. Durch diese Ungleichbehandlung können Bibliotheken ihre Kernaufgaben in Bezug auf eBooks – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt erfüllen: die Sicherstellung eines chancengleichen Zugangs zu Wissen und Information und die Gewährleistung einer ausgewogenen, marktunabhängigen Versorgung mit neuester Literatur. Wünschenswert wäre daher ein Urheberrecht, das Bibliotheken – wie bei gedruckten Büchern – uneingeschränkt den Kauf und den Verleih von eBooks ermöglicht. Für den Verleih von eBooks sollen die AutorInnen durch die Berücksichtigung in der Bibliothekstantieme auch eine angemessene Vergütung erhalten.
  • Vergriffene Werke
    Hier wäre eine Regelung wünschenswert, die es öffentlichen Institutionen ermöglicht, vergriffene Werke, die vor mehr als 50 Jahren erschienen sind und von den Verlagen nicht wieder aufgelegt werden oder deren Verlage nicht mehr existieren, der Öffentlichkeit zu angemessenen Bedingungen im Internet zur Verfügung zu stellen.
  • Kataloganreicherung
    Klappentexte, Register, Inhaltsverzeichnisse und ähnliche in Büchern enthaltene Struktur- und Inhaltsinformationen werden von Bibliotheken zunehmend als nützliche Zusatzinformationen in Bibliothekskataloge aufgenommen. Diesen Service sollten Bibliotheken in einem sicheren Rechtsrahmen leisten können.
  • Data-Mining
    Wissenschaftliche Forschungen, die auf der systematischen Anwendung statistischer Methoden auf große Datenbestände beruhen, sollten nicht durch urheberrechtliche Graubereiche be- oder verhindert werden. Idealerweise wäre daher dieser neue Forschungszweig durch urheberrechtliche Regelungen zu fördern, wie sie etwa im Vereinigten Königreich getroffen wurden.

Die Österreichische Nationalbibliothek weist darauf hin, dass sie die zu diesem Ministerialentwurf abgegebenen Stellungnahmen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB), des Büchereiverbands Österreichs (BVÖ) und des Forums Universitätsbibliotheken Österreich ausdrücklich unterstützt. Sie dankt nochmals für die Gelegenheit zur Stellungnahme und ersucht um Berücksichtigung dieser Überlegungen.

Mit besten Grüßen
Dr. Johanna Rachinger
Generaldirektorin Österreichische Nationalbibliothek

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_04095/imfname_423237.pdf

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