Pressemeldung ÖNB restituiert erbloses NS-Raubgut

Am 1. Juni 2010 übergab Generaldirektorin Dr. Johanna Rachinger im Beisein von Nationalratspräsidentin Mag. Barbara Prammer im Rahmen einer Gedenkfeier 8.363 in der NS-Zeit geraubte Bücher an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

Nach den bereits in den vergangenen Jahren nahezu abgeschlossenen Rückstellungen an die ErbInnen namentlich bekannter VorbesitzerInnen ist dies nun die erste Tranche sogenannten „erblosen“ Raubguts, das ein Bundesmuseum gemäß den Bestimmungen des Kunstrückgabegesetzes (BGBl. 181/1998) an den Nationalfonds restituiert. Bei dem Konvolut von 8.363 Druckschriften handelt es sich dementsprechend auch ausschließlich um Objekte, die keinerlei Hinweis auf eine/n ehemalige/n BesitzerIn tragen. Es sind dies zum überwiegenden Teil Bücher aus kleinen Privatbibliotheken emigrierter oder deportierter Wiener Juden, die ohne jedes Verzeichnis per LKW von der Gestapo in die damalige Nationalbibliothek abgeliefert wurden. So unterschiedlich die Interessen ihrer vormaligen BesitzerInnen waren, so inhomogen präsentiert sich heute auch der an den Nationalfonds übergebene Bestand: vom Kinderbuch bis zur theologischen Abhandlung aus dem 17. Jahrhundert.

Auf Wunsch des Nationalfonds wird die Österreichische Nationalbibliothek alle 8.363 Werke nach erfolgter Restitution vom Nationalfonds ankaufen.

Generaldirektorin Dr. Johanna Rachinger anlässlich der Gedenkfeier: „Es ist es traurig und beschämend, dass so lange Zeit vergehen musste – 65 Jahre – bis die letzten Reste der NS-Raubzüge in der Österreichischen Nationalbibliothek bereinigt werden konnten. Gleichzeitig aber bin ich erleichtert, dass damit endlich die unheilvolle Kette von aktiver Verstrickung und Mitschuld während in der NS-Zeit und von bewussten Versäumnissen und Verzögerungen in der Nachkriegszeit zu einem Ende gelangt ist.“

Hintergrund

Anfang Dezember 2003 hat die Österreichische Nationalbibliothek ihren Provenienzbericht über unrechtmäßige Erwerbungen in der NS-Zeit vorgelegt. Der Bericht, dem sorgfältige und aufwändige Nachforschungen in allen Beständen des Hauses vorausgingen, listet genau 52.403 Einzelobjekte, die als unrechtmäßige Erwerbungen der NS-Zeit qualifiziert werden mussten, auf. Für einen Großteil der betroffenen Objekte ist es gelungen die VorbesitzerInnen zu erfassen und deren Schicksal sowie die Vorgänge der Entziehung und Verteilung von Bibliotheksgut nachzuzeichnen. Seit dem Jahr 2003 hat die Österreichische Nationalbibliothek intensiv an einer möglichst raschen Rückgabe des unrechtmäßig in ihren Beständen befindlichen Sammlungsguts gearbeitet: mit Ende Mai 2010 wurden bereits 35.217 Einzelstücke an die rechtmäßigen ErbInnen der Beraubten zurückstellt. Das entspricht hinsichtlich jener Fälle, die namentlich bekannten VorbesitzerInnen zugeordnet werden konnten, einer Rückgabequote von 96,6 %. Gemeinsam mit den nun am 1.6.2010 an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus übergebenen Druckschriften erhöht sich die Zahl auf 43.580 restituierte Werke. Die Österreichische Nationalbibliothek ist damit einem ihrer vorrangigen Ziele, der restlosen Bereinigung ihrer Bestände von NS-Raubgut, bereits sehr nah.

Für weitere 8.823 erblose Druckschriften, Handschriften, Fotografien, Musikalien und Kartenwerke ist eine Entscheidung des am Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur eingerichteten Beirats für Kunstrestitution noch ausständig. Um ErbInnen der Verfolgten die Möglichkeit zur Beanspruchung zu geben, wurden diese Werke in einer eigens für die Erfassung von Raubgut erstellten Online-Datenbank des Nationalfonds publiziert. Die Österreichische Nationalbibliothek setzt sich für eine rasche Entscheidung zu Gunsten der Opfergruppen ein.

Quelle: http://www.onb.ac.at/services/presse_18681.htm

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