Land Salzburg erhielt Bücher aus dem Konradinum zurück

LH-Stv. Christian Stöckl, Heinrich Schmidinger Rektor, Ursula Schachl-Raber Leiterin d. Universitätsbibliothek Salzburg, Oskar Dohle Direktor des Salzburger Landesarchivs, LR Martina Berthold UND Irmgard Lahner Leiterin der Provenienzforschung an der Universitätsbibliothek Salzburg Foto: LMZ Franz Neumayr/SB

Universitätsbibliothek restituierte Bestände, die dem Gründer der Pflegeeinrichtung in Eugendorf gehört haben

Salzburger Landeskorrespondenz, 31.1.2017(LK)  Zehn handschriftliche Manuskripte und 40 gedruckte Bücher aus dem Konradinum in Eugendorf erhielt das Land Salzburg nun von der Universitätsbibliothek der Paris-Lodron-Universität Salzburg zurück. Das Konradinum, eine Pflegeeinrichtung für Menschen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung, war kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aufgelöst worden. Die Pfleglinge wurden vorerst in andere Heime gebracht, viele von ihnen später in Hartheim ermordet. Ein Teil der dort verwahrten Bücher des Gründers der Einrichtung kam in die Studienbibliothek, die Vorgängerin der heutigen Universitätsbibliothek. Die Restitution der Druckwerke und Handschriften erfolgte heute, Dienstag, 31. Jänner, bei einer Festveranstaltung in der Bibliotheksaula durch Universitätsrektor Heinrich Schmidinger und Universitätsbibliothek-Leiterin Ursula Schachl-Raber an Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl, Landesrätin Martina Berthold und den Direktor des Salzburger Landesarchivs Oskar Dohle.

„Wenn heutzutage von Restitution die Rede ist, denkt man meistens an die Rückgabe wertvoller Kulturgüter oder kostbarer Kunstwerke und selten an Bücher oder Manuskripte. In der Universitätsbibliothek Salzburg läuft seit vielen Jahren ein Forschungsprojekt, mit dem die Universität Salzburg als Vorreiter in ganz Österreich gilt: Es wird untersucht, ob in der NS-Zeit und später Raubgut in die Bestände der Universitätsbibliothek gekommen ist, und es wird alles unternommen, um die rechtmäßigen Besitzer der Werke zu finden“, sagte Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl. „Es ist beeindruckend, mit wie viel Akribie und Ausdauer und letztendlich auch Erfolg in der Universitätsbibliothek dieser verantwortungsvollen Aufgabe nachgekommen wird. Es freut mich und ich bedanke mich bei den Verantwortlichen der Universität Salzburg und der Universitätsbibliothek, dass jetzt die Bücher und Handschriften aus dem Konradinum Eugendorf an das Land Salzburg restituiert wurden und im Salzburger Landesarchiv eine neue Heimat finden“, so Landeshauptmann-Stellvertreter Stöckl, der auch für die Liegenschaften des Landes zuständig ist.

„Dieser Restitutionsakt erinnert an den großen karitativen Einsatz von Konrad Seyde und seine unermüdliche Arbeit für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, die später von den Nationalsozialisten grausam ermordet wurden. Bücher und Manuskripte sind wertvolle Zeitzeugen. Mit dieser Rückgabe setzt die Universitätsbibliothek ein wichtiges und starkes Zeichen zur späten Würdigung der großen menschlichen Leistungen von Seyde. Die Rückgabe ist zugleich eine wichtige Botschaft: Die ungeheuren Verbrechen des Nationalsozialismus dürfen nie vergessen werden“, betonte Landesrätin Martina Berthold, zuständig für Wissenschaft und Bibliotheken im Bundesland Salzburg.

Restituierte Werke nun im Salzburger Landesarchiv

Die restituierten Druckwerke und Manuskripte werden von nun an im Salzburger Landesarchiv aufbewahrt. Dieses verstehe sich neben seiner Funktion zur Wahrung der Rechtssicherheit im Dienste der Bürgerinnen und Bürger als „Gedächtnis“ des Bundeslandes, so dessen Direktor Oskar Dohle: „Dieser Festakt zur Rückgabe soll uns alle daran erinnern, uns ins Gedächtnis rufen, dass es ein mörderisches Unrechtsregime war, unter dessen brutaler Herrschaft dieser Unrechtsakt geschah.“ Durch die Veranstaltung werde nicht nur der wertvolle Bestand gewürdigt, sondern dieser vor allem auch in seinen historischen Kontext gestellt. „Gerade in einer Zeit, in der mitunter rasche und scheinbar einfache Lösungen von oben ohne gesellschaftlichen Grundkonsens verordnet oder gar aufoktroyiert werden, ist eine derartige Feierstunde auch ein wichtiges Zeichen nach außen,  dass sich derartige Vorgänge nie mehr wiederholen dürfen“, so Dohle.

Private Initiative eines pensionierten Pfarrers

Der Begründer des Konradinums, Konrad Seyde, hatte als Pfarrer im 19. Jahrhundert die schwierige Lebenssituation von schwerbehinderten Kindern hautnah miterlebt und beschloss daher, seinen Alterssitz in Eugendorf mit Garten und Wertpapiere zur „Verbesserung der öffentlichen Fürsorge“ von schwerbehinderten Kindern und Jugendlichen zu stiften. Konrad Seyde selber erlebte die Eröffnung seiner Einrichtung 1907 nicht mehr. Mit der Pflege der Kinder betraute das Land Salzburg als Stiftungsbehörde die Kongregation der Barmherzigen Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul. Seydes „reiche Büchersammlung“ sollte nach dem Willen des Stifters für immer im Haus bleiben. Obwohl keinerlei Besitzvermerke auf den früheren Eigentümer hinweisen, brachte die Forschungsarbeit der Bibliothekarin und Provenienzforscherin Irmgard Lahner Licht in die Herkunft der Werke. Sie wurden nun restituiert, da sie nicht rechtmäßig in den Besitz der Universitätsbibliothek gelangt sind.

Der Weg der Bücher

Nach dem „Anschluss“ Österreichs und der Beschlagnahme des Gebäudes durch die Nationalsozialisten blieben die Bücher der Bibliothek Seydes vorerst unbeachtet. Erst 1940 wurden sie dem Leiter der Studienbibliothek, Ernst Frisch, angeboten. Dieser übernahm etliche Bände – die restlichen sollten „zwecks nutzbringender Verwendung einer Papierstampfe“ überlassen werden. Die ausgewählten Bände wurden mit dem Vermerk „Geschenk des Conradinums“ versehen und fanden ihren neuen Platz im Magazin der Studienbibliothek. Als „wertvollstes Stück des ganzen Bestandes“ beurteilte Frisch die Tagebücher Konrad Seydes aus den Jahren 1853 bis 1858. Von den zehn Manuskripten stammen neun aus der Hand Seydes, in gestochener Schrift verfasst und teilweise mit Zeichnungen liebevoll gestaltet. Die Druckwerke stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, manche davon sind mit dem Besitzzeichen eines Erzbischofs versehen. Sie zeugen vom breiten Interesse ihres früheren Besitzers, das von Salzburger Lokal- und Kunstgeschichte über antike Literatur bis zur französischen Revolution und dem „Linzer Kochbuch“ reichte.

Quelle: https://service.salzburg.gv.at/lkorrj/Index?cmd=detail_ind&nachrid=57731

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