„Königin Europa“: älteste Darstellung des Kontinents in Form einer Königin im Museum Retz entdeckt

Während die Europäische Union aktuell großen Belastungen ausgesetzt ist, wurde vor kurzem im Museum Retz ein Fund von europäischer Bedeutung gemacht. Im Zuge der Forschungsarbeiten im Rahmen des vom Land Niederösterreich geförderten FTI-Projekts „MuseumsMenschen“ bewertete die Archäologin und Kulturwissenschaftlerin Mag. Dr. Celine Wawruschka (Donau-Universität Krems) einen frühneuzeitlichen Holzschnitt neu. Das Ergebnis von Wawruschkas Analyse: Es handelt sich um die älteste bekannte Darstellung des europäischen Kontinents in Form einer Königin, angefertigt von dem Tiroler Humanisten Johannes Putsch (1516–1542).

Foto: Mag. Beate Zelnicek

Derartige Allegorien von Erdteilen waren in der frühen Neuzeit sehr beliebt. Allgemein gilt die Karte von Johannes Putsch als Vorbild aller kartographischen Erdteilallegorien im 16. Jahrhundert. Spanien stellt den Kopf der Königin dar, Italien den Arm, Sizilien den Reichsapfel, Österreich und Böhmen liegen in der Körpermitte. In der Antike wurde Europa noch als Frau dargestellt, und zwar im Zusammenhang mit dem Mythos von Zeus, der in Gestalt eines Stiers die phönizische Prinzessin Europa über das Mittelmeer entführte. Im Mittelalter wurde Europa männlich interpretiert und abgebildet. Erst Johannes Putsch ließ den Kontinent in den 1530er-Jahren erstmals selbstständig als
Königin auftreten – und auch sprechen.

Die Retzer Karte weist zwei Besonderheiten auf: Mit dem Herstellungsdatum von 1534 handelt es sich einerseits um die älteste bekannte Karte dieser Form. Eine weitere Karte von Putsch befindet sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, allerdings ist diese etwas jünger (1537) und im Gegensatz zum Retzer Exemplar nicht koloriert. Die zweite Besonderheit stellt ein Gedicht humanistischer Tradition dar, das sich unter dem Kartenrand befindet und das den Kaisern Karl V. (1500–1558) und Ferdinand I. (1503–1564) gewidmet ist. In diesem Text beklagt sich die „Königin Europa“ über die kriegerischen Zustände in Europa und ermahnt die beiden Herrscher des Habsburgerreiches, sie vor der Gefahr der einfallenden Türken zu retten.

Sowohl die Karte als auch das Gedicht, beide von Putsch verfasst, waren bereits bekannt, jedoch bisher niemals zusammen auf einem Stück aufgefunden worden. Darüber hinaus nahm man an, dass die Karte mit der Darstellung der „Königin Europa“ erstmals 1537 veröffentlich wurde, was durch die Neudatierung korrigiert werden konnte.

Die Karte wurde in Augsburg von Jobst Dennecker (gest. v. 1548) angefertigt, der als einer der Erfinder des altdeutschen Farbholzschnittes gilt und auch die Illustrationen zu Kaiser Maximilian I. (1459–1519) historisch-autobiographischen Werken verfasst hatte.

Wie eine Widmung zeigt, schenkte der Bibliothekar und Archivar des Retzer Dominikanerklosters, P. Ignaz Lamatsch (1797–1863) die Karte mit der Darstellung der „Königin Europa“ zusammen mit anderen Gegenständen im Jahre 1838 dem kurz zuvor gegründeten Stadtmuseum Retz, einem der ältesten Stadtmuseen Niederösterreichs und Europas. Für das Museumsteam in Retz ist die „Königin Europa“ fortan das bedeutendste Objekt seiner kulturhistorischen Sammlung. Schließlich dokumentiert die Karte der „Königin Europa“ die Relevanz von regionalen kulturhistorischen Sammlungen wie jener des Museum Retz.

Weitere materialanalytische Untersuchungen sind bereits in Vorbereitung, um in einer anschließenden wissenschaftlichen Veröffentlichung alle mit derzeitigen Mitteln  möglichen Aussagen zur Retzer „Königin Europa“ preisgeben zu können. Die Europakarte wird dann ab dem Wochende des Museumsfrühlings am 18./19. Mai bis 26. Oktober 2019 im Museum Retz ausgestellt. Ab 2020 soll das Kunstwerk an ausgewählte Museen in Europa verliehen werden. Für die weiterführenden Untersuchungen sowie die neue Präsentation in der Dauerausstellung im Museum Retz ab 2021 werden noch Fördermittel und Sponsoren angefragt.

Der Fund wurde am 28. März 2019 erstmals im Museum Retz präsentiert, mit dabei waren der Präsident des NÖ Landtages Karl Wilfing in Vertretung von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner; BR Eduard Köck in Vertretung von Bundeskanzler Sebastian Kurz; Hatto Käfer als Vertreter der EU Kommission; Gesandte europäischer Botschaften sowie Schriftsteller Robert Menasse.

http://www.museumretz.at/

http://www.museumretz.at/de/veranstaltungen

http://www.museumretz.at/sites/default/files/Presse_Europa-Regina_0.pdf

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