Schottenstift: Experten aus Österreich und Ausland gaben Überblick – Frühdrucke, Handschriften und Kunstgegenstände aus österreichischen Klöstern heute weltweit verstreut.
Wien, 18.04.2018 (KAP) In der Zwischenkriegszeit war die Not in Österreichs Klöstern groß, weshalb viele von ihnen ihre Kulturschätze zu Spottpreisen verkaufen mussten, um überleben zu können. Dieses Thema wurde bei der am Dienstag beendeten Tagung „Klösterliche Handschriften- und Buchverkäufe in der Zwischenkriegszeit“ im Wiener Schottenstift von Experten aus dem In- und Ausland behandelt. Wie die Veranstalter – Institut für Österreichische Geschichtsforschung der Universität Wien, Kulturreferat der Ordensgemeinschaften Österreichs und Österreichische Nationalbibliothek – betonten, handle es sich um ein „kaum beachtetes Kapitel der Zeitgeschichte“.
Die Bibliothekarin der Erzabtei St. Peter in Salzburg, Sonja Führer, berichtete von der Begründung der Verantwortlichen für die Verkäufe der Pergamente und Inkunabeln, die 500 Jahre und mehr alt waren. „Sonst wären wir einfach im Elend versunken“, habe es damals geheißen.
Nach dem Ersten Weltkrieg sei die Erzabtei schwer verschuldet gewesen. Unter anderem habe man Kriegsanleihen gekauft, und später habe die anhaltende Wirtschaftskrise die Lage verschlechtert. „Man entschloss sich zunächst zum Verkauf von Büchern, später auch von kostbaren Handschriften und Kunstgegenständen. Die Händler kamen aus dem In- und Ausland. Sie sind von sich aus an die Stifte herangetreten, oder sie wurden von den Stiften direkt angesprochen“, berichtete Führer.
Um zu verkaufen, hätten die Klöster und Orden allerdings eine Genehmigung des Bundesdenkmalamtes benötigt. Ohne diese Genehmigung war es verboten, Gegenstände geschichtlicher und kultureller Bedeutung zu veräußern und auszuführen. Doch nicht alles sei auf legalen Wegen erfolgt, weshalb erst jetzt versucht werde, sich einen Überblick über das tatsächlich verkaufte Kirchengut zu verschaffen und auch über die Wege, die die Objekte seitdem zurückgelegt haben, so die Expertin.
Was St. Peter betreffe, so seien rund ein Drittel der Inkunabeln (Frühdrucke 1400-1500) sowie die drei wertvollsten Handschriften verkauft worden. Erhalten habe man „Spottpreise“, meinte Führer: „Wertangaben für eine Zeit, in der die Hyperinflation eingesetzt hat, sind schwierig. Aber die Stifte haben jede Handschrift wahrscheinlich zu einem Viertel des zuerst angesetzten Wertes verkauft.“
Viele Kulturgüter heute in Oxford
Die Frühdrucke, Handschriften und Kunstgegenstände aus österreichischen Klöstern seien heute weltweit verstreut, so der Historiker Christopher de Hamel aus Cambridge: „Einer der Hotspots ist die Bodleian Library in Oxford, wo relativ viele der damals verkauften Handschriften aufbewahrt werden.“ Der Experte für mittelalterliche Handschriften ist auch für Auktionshäuser tätig. Er berichtete, dass er vor kurzem den Versicherungswert eines Buches einschätzen musste, das aus dem Stift Admont stammt und in der Zwischenkriegszeit verkauft wurde. „Es stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist heute, meiner Einschätzung nach, eine Million Euro wert.“
Bei der Tagung wurde auch über „weiße Flecken“ berichtet, denn nicht jeder Kauf sei dokumentiert worden. Briefmaterial und Rechnungen seien verlorengegangen.
Die Österreichische Nationalbibliothek kooperierte damals mit dem Bundesdenkmalamt bei der Begutachtung einzelner Handschriften und Bücher vor deren möglichem Verkauf ins Ausland. Experten der Nationalbibliothek schrieben etwa Gutachten über die Bedeutung des Objektes für die österreichische Kulturlandschaft und hatten Mitsprache bei den Vorschlägen für einen Mindestverkaufspreis. Gleichzeitig war die Nationalbibliothek auch ein Käufer und besaß schon damals den größten Bestand an Handschriften und Frühdrucken Österreichs.