Bucheinband aus Menschenhaut

Schockierender Fund in der Bibliothek. Dieses Buch ist in Menschenhaut gebunden“ so betitelt N24 einen gerade erschienenen Beitrag:

In einer Bibliothek der US-Elite-Universität Harvard machen Mitarbeiter eine schockierende Entdeckung. Der Einband eines Buches aus dem 19. Jahrhundert ist menschlichen Ursprungs.

In den Beständen der US-Universität Harvard ist ein in Menschenhaut eingebundenes Buch entdeckt worden. Eine Reihe von Tests habe ergeben, dass der Einband des Werks „Des destinées de l’âme“ (etwa: „Das Schicksal der Seele“) des französischen Schriftstellers Arsène Houssaye aus dem 19. Jahrhundert menschlichen Ursprungs sei, teilte die Hochschule am Freitag mit. Für die Untersuchungen wurden demnach kleinste Proben der Hülle verwendet. …

Selbst scheinbar seriöse Nachrichtenmedien pflegen dabei etwas zu übertreiben und den Horroraspekt zu betonen („Schockierender Fund“ …). Tatsächlich wurden vereinzelt seit dem 17. Jh. Bücher in Menschenhaut gebunden. Und in Harvard handelte es sich nicht um einen Neufund, sondern die wissenschaftliche Überprüfungen einer lange tradierten Geschichte um diesen Bucheinband, der sich als wahr herausstellte. Ob ein Kollege da wirklich schockiert war, ist eher fraglich. Jedenfalls ist diesen Buchobjekten mit menschlichen Artefakten in ethisch einwandfreier Weise zu begegnen. Sie sollten nicht als zweifelhafte Schauobjekte („Horror sells“) missbraucht werden.

Der Fachbegriff im Englischen für diese Art des Buchbindens ist übrigens: „Anthropodermic bibliopegy“. Sehr lesenswert ist dazu der Beitrag des bekannten Medizinhistorikers Robert Jütte in der NZZ (Was Bibliotheken lieber verschweigen. Es gibt Bucheinbände aus Menschenhaut, NZZ 14.09.2009).

Weitere Hinweise:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert