Die Nationalsozialisten plünderten die gesamte Arbeiterkammer-Bibliothek. Jetzt kehren immer mehr Bücher nach Wien zurück.
Wien (OTS) – „Es ist eine symbolische Wiedergutmachung einer von den Nazis geplanten kulturellen Auslöschung“, sagt Ute Wödl, Leiterin der AK Bibliothek Wien für Sozialwissenschaften. Immer wieder werden jetzt vor allem in deutschen Bibliotheken Bücher aufgefunden, die die Nationalsozialisten im Zuge der Schließung der Arbeiterkammer-Bibliothek Wien 1938 geraubt und nach Deutschland geschafft haben. Im Dezember übergab die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung weitere 17 Bände an die Bibliothek der AK Wien. „Deutsche Bibliotheken entdecken im Zuge aufwändiger Provenienz-Forschung einzelne Bücher, die den Bücherraub der Nazis und den Krieg überstanden haben. Mit dabei etwa ein Buch, das eine Widmung des Verfassers an den SPÖ-Gründer Victor Adler beinhaltet. Sowie weitere Bücher, die ursprünglich aus den Bibliotheken Victor Adlers und des Sozialtheoretikers Anton Menger stammten. Diese Bibliotheken bildeten den Grundbestand der AK Bibliothek Wien.
Von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, einem der weltweit führenden Zentren für kulturgeschichtliche Forschung, wurden 2023 bei einem ähnlichen Projekt drei Bücher restituiert. Darunter sticht besonders ein Werk aus der Bibliothek Anton Menger hervor: Eugen Dühring, Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Socialismus aus 1871, das für die Forschung der Arbeiter:innenbewegung von Relevanz ist.
Für Wödl sind die Bücherrückgaben ein Anlass, daran zu erinnern, was die Zerstörung von Kulturgütern bedeutet: Die damalige Bibliothek der Arbeiterkammer war eines der ersten Ziele in Österreich, das sich die Nationalsozialisten bei ihrem Angriff auf die kulturelle Identität der Arbeitnehmerbewegung vornahmen. Schon am 26. April wurden die Gründungsbestände der vier „Marxisten-Bibliothek“ in Kisten verpackt und nach Berlin geschafft. „Die Bibliothek der Arbeiterkammer war den Nazis wichtig, zur Analyse ihrer Politischen Gegner, aber auch um symbolisch ein wichtiges Kulturgut der Arbeitnehmerbewegung auszulöschen“, so Wödl.
Denn die sozialwissenschaftliche Studienbibliothek der Arbeiterkammer Wien war in der Zwischenkriegszeit eine der europaweit bedeutendsten Bibliotheken ihrer Art. Nach der NS-Herrschaft waren von einst 160.000 Büchern nur noch etwa 35.000 auffindbar. Der Großteil des Buchbestands ist bis heute verschollen, weil zerstört oder an unbekannte Orte verteilt worden.