Ort und Zeit
19. Oktober 2018 bis 29. März 2019
Montag bis Donnerstag 9:00 Uhr bis 18:30 Uhr
Freitag 9:00 Uhr bis 16:30 Uhr
Wienbibliothek im Rathaus, Ausstellungskabinett,
Rathaus, Eingang Felderstraße, Stiege 6, Glaslift, 1. Stock
Freier Eintritt!
Eröffnung und Buchpräsentation am 18. Oktober 2018
Zur Ausstellung
Karl Kraus (1874–1936) zählt zu den einflussreichsten und sprachgewaltigsten Persönlichkeiten der Wiener Moderne. Viele seiner Aphorismen sind weltweit präsent und sein Antikriegsdrama „Die letzten Tage der Menschheit“ wird in vielen Sprachen aufgeführt. Dennoch ist er, wie der Bestsellerautor Jonathan Franzen schrieb, eigenartig „fremd“, weil seine Arbeit auf so besondere Weise an längst vergessene Kontroversen und Konflikte der österreichischen und deutschen Zeitgeschichte geknüpft war. Sein scharfer Blick für Phrasen und Lügen wie auch sein erhellender, aufklärerischer Sprachwitz sind allerdings in Zusammenhang mit politischen Entwicklungen und neuen Medien aktuell wie nie zuvor. Die Ausstellung der Wienbibliothek im Rathaus zeigt den „Zeitkämpfer“ Karl Kraus in der politisch bewegten Periode zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Machtergreifung faschistischer Regime in Europa.
Eine neue Boulevardpresse und sich verstärkende Populismen, der Konflikt zweier gegnerischer Parteien – sozialdemokratisch und christlichsozial – wie auch der aufkommende Nationalsozialismus bilden den Hintergrund von Kraus′ bemerkenswerter Satire und Gesellschaftskritik in der Ersten Republik. Dargestellt wird zunächst seine Auseinandersetzung mit der Presse – besonders mit der von Zeitungsmogul Emmerich Békessy verlegten modernen „Stunde“ –, der er (nicht nur) sein kritisches „Antimedium“ „Die Fackel“ entgegensetzte. In weiteren Sequenzen werden seine Allianzen mit der österreichischen Sozialdemokratie gezeigt, mit der er gegen Krieg und für die Republik kämpfte, aber auch sein zunehmender Vertrauensverlust in die Parteiführung. Kraus warnte schon früh vor der Gefährlichkeit der „Hakenkreuzler“ und hielt – nachdem er für christlichsoziale Politik und Kultur lange keine Sympathien gezeigt hatte – ab 1933 das Dollfuß-Regime für den besseren Schutz vor dem Nationalsozialismus.
Vier „Räume“ sind dem Leben von Karl Kraus abseits seiner Tätigkeit als Herausgeber und Autor der 922 Nummern umfassenden „Fackel“ gewidmet. Als Vortragender seiner eigenen und fremder Werke sowie als Autor von Dramen bespielte er Bühnenräume Europas, mit 700 Vorlesungen und einigen Inszenierungen seiner Stücke. Auf Grund des neuen Presserechts der Ersten Republik trug er seine „Popularklagen“ in der „Fackel“ immer öfter in die Gerichtssäle – und hinterließ so über 200 Prozessakten, vor allem zu Mediendelikten und Ehrenbeleidigungen. Zugleich schuf er sich private Rückzugsräume, in denen er Liebesleben und Freundschaften sorgfältig abschirmte. In einem abschließenden Erinnerungsraum wird schließlich Kraus‘ Nachleben zwischen Kult und Vergessen präsent. In all diesen Räumen und ihrer Umgebung werden die reichen Bestände des Kraus-Archivs erstmals in ihrer Fülle gezeigt und geben einen Eindruck von den vielen Facetten des Karl Kraus.
Mitwirkende
Direktion: Sylvia Mattl-Wurm
Text und Kuratorin: Katharina Prager
Ausstellungsgestaltung: Markus Reuter
Medientechnik: Florian Irnberger / Nous Wissensmanagement GmbH
Reproduktionen: Michael Burger, Alexandra Egger, Nicole Hebenstreit
Restaurierung und Werkstatt: Sabine Imp, Gerhard Pirker
Öffentlichkeitsarbeit: Suzie Wong
Unser besonderer Dank gilt der Österreichischen Mediathek, dem Wien Museum sowie Christian Thanhäuser und Edward Timms für die Bereitstellung von Material.
Die Ausstellung steht am Ende eines Projektes zu Karl Kraus, das seit 2012 zusammen mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biografie umgesetzt wurde und ist Teil des Ausstellungsensembles „Das Junge Wien – Natur plus X“.
Publikation
Katharina Prager (Hg.): Geist versus Zeitgeist: Karl Kraus in der Ersten Republik
Metroverlag 2018
279 Seiten
ISBN 978-3-99300-328-9
https://www.wienbibliothek.at/veranstaltungen-ausstellungen/ausstellungen/geist-versus-zeitgeist