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Der Lesesaal wird im 19. Jahrhundert als Teil der modernen Bildungskultur entwickelt; er ist bis heute ein stark aufgesuchter Ort geblieben. Seine Anfänge sind eindrucksvoll: Weltweit entstanden zwischen 1870 und 1920 mehrere Tausend Lesesaalbibliotheken. Dabei wurden verschiedene Typen ausgebildet, von öffentlichen über universitäre bis hin zu Nationalbibliotheken.
Die Atmosphäre im Lesesaal war nicht selten kulturgeschwängert: Architekt*innen und Künstler*innen inszenierten Gebäude und deren Dekoration als Sehnsuchtsorte des Wissens. Manche Bibliotheken ähnelten Museen, wie in den USA etwa die Prachtbauten der Boston Public Library oder der Kongressbibliothek. Bibliothekar*innen hielten schon damals die Ausstattung für übertrieben. Lesesäle bieten auch im hygienischen Sinn eine Atmosphäre zum Atmen; sie sind Orte guter Luft. Im Industriezeitalter kämpften Ärzte für mehr Gesundheit in Schule und Universität, aber auch in Theatern und Gaststätten. Die Bibliotheksgebäude bestand die Aufgabe bestmöglicher Lüftung und Beleuchtung. Es galt die Gefahren zu mindern, die den Leser*innen als atmenden Körpern drohten.
Ulrich Johannes Schneider ist Professor am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig, er war von 2016 bis 2022 Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig. Sein derzeitiges und langfristiges Forschungsprojekt gilt der globalen Geschichte moderner Bibliotheken. Er folgt dabei den Lesenden selbst in die Lesesäle, beobachtet sie in sozialen Räumen, die der individuellen Entfaltung eigener Ideen dienen. Haustechnik ist dabei ebenso relevant wie Ästhetik – die Modernität der Bibliotheksbauten zeigt sich in beiden Dimensionen. Derzeit ist Ulrich Johannes Schneider IFK_Senior Fellow.
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