In der Sitzung des Nationalrates am 10. Dezember 2014 wurde eine umfangreiche Sammelnovelle zum Universitätsgesetz und zum Hochschulgesetz behandelt und auch beschlossen. Nach Zustimmung im Bundesrat wurde diese Sammelnovelle heuer im Bundesgesetzblatt kundgemacht und zwar unter BGBl. I Nr. 21/2015.
Aus bibliotheksrechtlicher Sicht ist die neuerliche Novellierung der Veröffentlichungspflicht nach § 49 Hochschulgesetz 2005 zu bemerken:
Die Stammfassung des Hochschulgesetzes 2005 (BGBl. I Nr. 30/2006) hatte betr. der Veröffentlichungspflicht folgenden allein auf Bachelorarbeiten bezogenen Wortlaut:
Veröffentlichungspflicht
§ 49. Positiv beurteilte Bachelorarbeiten sind vor der Verleihung des akademischen Grades der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule, an welcher der akademische Grad verliehen wird, zur Verfügung zu stellen und von dieser zu veröffentlichen. Von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind die wissenschaftlich-berufsfeldbezogenen Arbeiten oder deren Teile, die einer Massenvervielfältigung nicht zugänglich sind.
[…]
Pflichten der Studierenden
§ 62 […]
(2) Die Studierenden haben insbesondere […]
5. anlässlich der Verleihung des akademischen Grades ein Exemplar ihrer Bachelorarbeit der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule abzuliefern.
Also Ablieferungs- und Veröffentlichungsverpflichtung der Bachelorarbeiten an die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule!
Die Novelle 2013 erweiterte dies (BGBl. I Nr. 124/2013; unterstrichene Teile sind neue Texteile):
Veröffentlichungspflicht
§ 49. (1) Absolventen und Absolventinnen eines Bachelor- oder Masterstudiums gemäß § 35 Z 1 und 1a haben vor der Verleihung des akademischen Grades die positiv beurteilte Bachelor- oder Masterarbeit durch Übergabe eines vollständigen Exemplars an die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule, an welcher der akademische Grad verliehen wird, sowie an die Österreichische Nationalbibliothek zu veröffentlichen. Von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind die wissenschaftlichen Arbeiten oder deren Teile, die einer Massenvervielfältigung nicht zugänglich sind.
(2) Anlässlich der verpflichtenden Übergabe einer wissenschaftlichen Arbeit an die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule sowie an die Österreichische Nationalbibliothek ist der Verfasser oder die Verfasserin berechtigt, den Ausschluss der Benützung des abgelieferten Exemplars für längstens fünf Jahre nach der Ablieferung zu beantragen. Dem Antrag ist vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ der Pädagogischen Hochschule stattzugeben, wenn die oder der Studierende glaubhaft macht, dass wichtige rechtliche oder wirtschaftliche Interessen der oder des Studierenden gefährdet sind.
[…]
Pflichten der Studierenden
§ 62 […]
(2) Die Studierenden haben insbesondere […]
5. anlässlich der Verleihung des akademischen Grades ein Exemplar ihrer Bachelorarbeit oder ihrer Masterarbeit eines Masterstudiums gemäß § 35 Z 1a der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule abzuliefern.
Die Novelle 2013 erweiterte somit ursprünglich die Ablieferungs- und Veröffentlichungsverpflichtung auch auf Masterarbeiten. Darüber hinaus war neben den Bibliotheken der betreffenden Pädagogischen Hochschulen nun auch die ÖNB unter den Ablieferungsberechtigten.
Aber Achtung: § 49 und § 62 Abs. 2 Z 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 124/2013 treten hinsichtlich der Masterstudien erst mit 1. Oktober 2019 in Kraft. Hinsichtlich der neu beginnenden Bachelorstudien für die Primarstufe mit 1. Oktober 2015 ist aber bereits der § 49 mit diesem Tag in Kraft und findet auf Bachelorstudien für die Sekundarstufe im Bereich der Allgemeinbildung und der Berufsbildung ab 1. Oktober 2016 Anwendung.
Die jüngste Novelle des Hochschulgesetzes 2005 mit BGBl. I Nr. 21/2015 reduziert nun den gerade präsentierten Normtext um die rot eingefärbten Teile und zwar ausdrücklich als Fassung BGBl. I Nr. 124/2013! Dh.: die nicht einmal noch in Kraft getretenen Normen sind bereits vor ihrem Inkrafttreten abgeändert worden und treten damit in der folgenden Fassung mit den gerade angegebenen Terminen (1.10.2015/1.10.2016/1.10.2019) in Kraft:
Veröffentlichungspflicht
§ 49 (1) Absolventen und Absolventinnen eines Masterstudiums gemäß § 35 Z 1a haben vor der Verleihung des akademischen Grades die positiv beurteilte Masterarbeit durch Übergabe eines vollständigen Exemplars an die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule, an welcher der akademische Grad verliehen wird, zu veröffentlichen. Von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind die wissenschaftlichen Arbeiten oder deren Teile, die einer Massenvervielfältigung nicht zugänglich sind.
(2) Anlässlich der verpflichtenden Übergabe einer wissenschaftlichen Arbeit an die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule ist der Verfasser oder die Verfasserin berechtigt, den Ausschluss der Benützung des abgelieferten Exemplars für längstens fünf Jahre nach der Ablieferung zu beantragen. Dem Antrag ist vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ der Pädagogischen Hochschule stattzugeben, wenn die oder der Studierende glaubhaft macht, dass wichtige rechtliche oder wirtschaftliche Interessen der oder des Studierenden gefährdet sind.
Die Erläuterungen dazu vermerken:
§ 49 Abs. 1 wird dahingehend geändert, dass Masterarbeiten auf Grund eines Masterstudiums gemäß § 35 Z 1a künftig der Veröffentlichungspflicht unterliegen. Dabei soll die Übergabe eines vollständigen Exemplars an die Bibliothek der Pädagogischen Hochschule erfolgen. Eine Veröffentlichung an der Österreichischen Nationalbibliothek ist nicht mehr vorgesehen.
Weiter bestehen bleibt der § 62 „Rechte der Studierenden“, dessen Abs. 2 z 5 lautet:
(2) Die Studierenden haben insbesondere […]
5. anlässlich der Verleihung des akademischen Grades ein Exemplar ihrer Bachelorarbeit oder ihrer Masterarbeit eines Masterstudiums gemäß § 35 Z 1a der Bibliothek der Pädagogischen Hochschule abzuliefern.
Damit werden in Zukunft Bachelorarbeiten und Masterarbeiten allein an den Bibliotheken der Pädagogischen Hochschulen gesammelt. Die Österreichische Nationalbibliothek hat weiterhin keinerlei Verpflichtung, diese zu sammeln. Ihre kurzfristige Verpflichtung nach der Novelle 2013 war rein virtueller Natur. Dies ist eine relativ konsequente Fortsetzung der Politik, der ÖNB keine Diplomarbeiten mehr aufzuhalsen – wie es etwa im § 86 UG 2002 bereits für die staatlichen Universitäten normiert wurde (in Kraft ab 1.1.2004).
Was allerdings ein wenig befremdlich ist, ist die Tatsache, dass in § 49 neu (Fassung Novelle 2013 in der Fassung 2015) Bachelorarbeiten gestrichen sind, in § 62 Abs 2 Z 5 neu (Fassung Novelle 2013, die durch die Novelle 2015 nicht beeinträchtigt worden ist) Bachelorarbeiten weiter vorkommen. Was ist damit nun gemeint? Es würde bedeuten, dass sowohl Bachelorarbeiten wie auch Masterarbeiten der Ablieferungsverpflichtung, aber allein Masterarbeiten der Veröffentlichungsverpflichtung unterliegen. Die Bibliotheken der Pädagogischen Hochschulen haben also beide anzunehmen und zu sammeln, aber nur die Masterthesen durch Aufnahme in ihren Katalog der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das ist irgendwie eine doch seltsame Konsequenz … War dies bewusst geplant oder ein Versehen des Gesetzgebers?
Forderung
Wäre es nicht endlich sinnvoll, auf eine elektronische Abgabe bei Bachelorarbeiten/Masterthesen/Diplomarbeiten/Dissertationen umzusteigen und eine allgemeine (elektronische) Veröffentlichungsverpflichtung für akademische Abschlussarbeiten (dh. eine Zurverfügungsstellung im Internet) einzuführen sowie eine zentrale Datenbank dafür einzurichten, dann würden auch Diplomarbeiten und Masterthesen kein (analoges) Platzproblem verursachen. Wieso dies nicht gemacht wird, ist weiterhin rätselhaft. Ein erstes sanftes Projekt in diese Richtung aus 2009 wurde ja 2010 bereits wieder abgedreht. (siehe dazu im VÖBBLOG: «Zentrale Datenbank für wissenschaftliche und künstlerische Arbeiten» wurde beerdigt und ruht in Frieden)
[PS: Dieser Post basiert auf einem früheren Text, der im Dezember 2014 noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und Kundmachung des Gesetzestextes im VÖBBLOG gepostet worden war. Er ist hier nun erweitert und überarbeitet und an die tatsächliche Gesetzeslage angepasst worden. Anm. JP]