[Wien, 4. März 2019] Das Referat für die Kulturgüter der Orden in Kooperation mit dem Stift Melk und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften veranstaltete von 1.-2. März 2019 einen „Crashkurs zum Musikarchivar“. Kursinhalt waren die Aufarbeitung, Erschließung, Verzeichnung und Lagerung von Notenmaterial.
„Wir möchten das musikalische Erbe der Ordensgemeinschaften in Österreich wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen bringen“, betonte die Leiterin des Bereiches Kultur und Dokumantation im Büro der Ordensgemeinschaften Karin Mayer. Viele Musikarchive in der österreichischen Ordenslandschaft stellen die Verantwortlichen vor Herausforderungen für Archivierung und Bearbeitung. Da es sich meist um einen Mischbestand von handschriftlichen Notenmaterial und Aufzeichnungen, Drucken, Liturgica, Lehrwerken und auch Musikinstrumenten handelt. Grundkenntnisse von Musik sowie Archivkunde sind somit erforderlich. In der Folge fühlt sich meist niemand so richtig dafür zuständig.
Wohin also mit den alten Noten?
Rege Teilnahme
Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten großes Interesse, viele Ordensgemeinschaften waren vertreten – Steyler Missionarinnen, Ursulinen, Kloster Nonnberg, Karmeliten, Stift Heiligenkreuz, Stift Herzogenburg, Stift Rein, Stift Schlägl, Stift St. Florian. Ausgestattet mit dem Handwerkszeug zum Musikarchivar erhielten sie zum Abschluss ein Zertifikat.
Elisabeth Hilscher, Österreichische Akademie der Wissenschaften, vermittelte Basiswissen zu Aufbau und Bewahrung von Musikarchiven. Sie gab hilfreiche Tipps für eine klassische Ordnung und Bestandsaufnahme von Musikarchiven. Im Zuge der Aufarbeitung heißt es Sichten, Ordnen, Reinigen. Bei den Verpackungs- und Lagermaterialien sollte auf säurefreie und alterungsbeständige Kartons zurückgegriffen werden. Anhand von Beispielen wurde ersichtlich, das historische Papierarten, wie Büttenpapier, hergestellt aus Leinenlumpen, wesentlich länger haltbar sind, wie industriell hergestelltes Papier aus dem 19. Jh. Die Teilnehmer konnten verschiedenes Anschauungsmaterial wie Tinten, Rötel, Farbstifte und Bleistifte selbst erproben.
Martin Haltrich, Bibliothekar des Stiftes Klosterneuburg, berichtete über die Neugestaltung des Musikarchivs in Stift Klosterneuburg, das im Zuge eines Umbaus nun im repräsentativen Kleid erscheint. Nicht nur die richtigen klimatischen Bedingungen war dabei zu beachten, sondern auch ein Augenmerk auf Sicherheitsvorkehrungen gegen Brand und Wassereintritt zu legen. Eine Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften ermöglichte, näheres über die Sammlungsgeschichte des Musikarchivs in Stift Klosterneuburg herauszufinden. 440 verschieden Komponisten sind seither im Register erfasst, die es zu erforschen gilt.
Johannes Prominczel – Musikarchivar des Stiftes Melk – gab wertvolle Tipps zur Recherche im Internet und stellte verschiedene Datenbanken vor. Er zeigte anschaulich, welche Schritte man setzen kann um die eigene Sammlung zu ergründen. Er selbst will als Musikarchivar nicht nur katalogisieren, sondern auch die Geschichte „seines Hauses“ kennenlernen. Johannes Prominzcel: „Wo kommen die Noten her? Wer hat musiziert?“ viele Fragen die ihn bewegen und die es zu lösen gibt. Das Hinterfragen und Lösen von Rätseln bringt für ihn auch Abwechslung in den Alltag als Musikarchivar.
Eva Maria Stöckler – Leiterin des Zentrums für Angewandte Musikforschung an der Donauuniversität Krems – stellte das Projekt KlosterMusikSammlungen vor. Ziel ist die vernetzte Erschließung der klösterlichen Musikbestände. Vorerst wurde mit der Aufarbeitung der Musikbestände aus den Stiften Göttweig, Klosterneuburg und Melk begonnen. Damit auch die Erstellung einer digitalen Infrastruktur. Erfasst werden Personendaten, wie Komponisten, Musiker, Auftraggeber etc. – Aufführungsdaten, Korrespondenzen und Rechnungsbücher. Sie spiegeln die Musikkultur in und um die Klöster wider und den Austausch untereinander. Das Projekt soll zukünftig nicht nur auf die niederösterreichische Landschaft erweitert werden, sondern auch weitere Bundesländer begeistern. Die digitale Aufarbeitung soll mit bereits vorhandenen und international anerkannten Datenbanken in Verbindung treten.
Karin Mayer, Leiterin des Referats für die Kulturgüter der Ordensgemeinschaften Österreichs, „Es ist wichtig, die vielfältigen Musiktraditionen in den Ordensgemeinschaften zu dokumentieren. Dabei denke ich nicht nur an die Entwicklungen in den großen Stiften, sondern auch an die Musikpraxis in den kleineren Gemeinschaften.“ Karin Mayer stellte das Referat für die Kulturgüter als Anlaufstelle für Fragen im Umgang mit den Kulturgütern der Orden vor. Seit 2016 werden verstärkt Beratungen in den Ordenshäusern angeboten, die sofortige Hilfestellungen ermöglichen. Als Servicestelle werden Richtlinien, Handreichungen, Leihverträge und Tipps zur Materialbeschaffung angeboten. Ebenso wird Fachpersonal für verschiedene Erschließungsprojekte oder Restaurierungs- und Inventarisierungsvorhaben vermittelt.
Elisabeth Loinig, Historikerin und Archivarin am Landesarchiv Niederösterreich, erklärte Grundlegendes zum Beruf des Archivars. Sie verwies auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen wie Archivgesetze, Denkmalschutzgesetz, Datenschutzgrundverordnung und Personenstandsgesetz. Zudem machte sie darauf aufmerksam, dass kirchliche Archive als Körperschaften öffentlichen Rechts nicht nur dem Kirchenrecht unterliegen, sondern an staatliche Richtlinien gebunden sind. Wenn es keine eigenes Musikarchiv gibt, sei zu überlegen die Musikalien und die damit im Zusammenhang stehenden Dokumente in das Archiv einzugliedern. Dort nehmen sie eine Schutzfunktion war – Archivierung ersetzt zudem Löschung bei personenbezogenen Daten.
Den Abschluss des zweitägigen Kurses bildete eine Führung durch das Musikarchiv von Stift Melk durch Musikarchivar Johannes Prominzcel. Mit viel Begeisterung zeigte er seine Sammlung an Musikinstrumenten, handschriftlichen und gedruckten historischen Notenmaterial und Drucken. Er zeigte Beispiele seiner erfolgreichen Recherchearbeiten.