Registrierte Stiftsbibliotheken enthalten vier Millionen Bände – Unverzichtbare Bedeutung für Wissenschaft und Ordensgemeinschaften
Wien, 20.11.2012 (KAP) Wie in keinem anderen Land Europas beherbergen Österreichs Stifte und Klöster Bücher und Gegenstände, die Geschichte erzählen: Denn nur hier entgingen die meisten Archive und Bibliotheken der katholischen Orden den Säkularisierungen vergangener Jahrhunderte, was sie zum einzigartigen Fundus macht. Das erklärte Helga Penz, Leiterin des „Referats für die Kulturgüter der Orden“ in der Superiorenkonferenz, im „Kathpress“-Interview anlässlich der Herbsttagung der Ordensgemeinschaften Österreichs, die derzeit im Wiener Kardinal-König-Haus stattfindet.
„Niemand kann in Österreich Mittelalter-Forschung betreiben, ohne ein Ordensarchiv besucht zu haben. Zudem sind fast alle Landesbibliotheken das Erbe der Bibliotheken aufgelassener Klöster“, so die Historikerin. Viele Orden sind sich der historischen Bedeutung ihrer „Schätze“ bewusst und machen sie schrittweise für alle zugänglich. „Waren Klöster früher die einzigen Anbieter für Dienste wie Krankenpflege und Bildung, wirken sie heute für viele exotisch, da der Kontakt oder eigene Erfahrungen fehlen. Die Archivpädagogik hilft, durch schriftliche Quellen das Klosterleben von einst zu rekonstruieren“, erklärte Penz.
Halber Umfang der Nationalbibliothek
Wie gewaltig der Umfang dieses „Spiegels der Zeit“ ist, zeigen beispielsweise die Stiftsbibliotheken: In den bisher registrierten 60 heimischen Klöstern allein schlummern rund vier Millionen Bände – halb so viele wie der gesamte Bücherbestand der Österreichischen Nationalbibliothek. Die größten dieser Bibliotheken sind Klosterneuburg (240.000 Bände), Admont, sowie in Wien das Schottenstift und das Mechitaristenkloster. Die Franziskaner betreuen zudem an fünf Standorten insgesamt 260.000 Bände. Viele Ordensgemeinschaften seien jedoch bisher noch nicht erfasst, gab Penz zu bedenken.
Lange Zeit hat die Forschung übersehen, dass Österreichs Klöster auch wesentlich zum musikhistorischen Erbe im Land beitragen: Sie erhalten Originale, stellen der Forschung und Musikverlagen Handschriften und Drucke zur Verfügung und fördern die Aufführung auch unbekannter Komponisten. „Musikarchive sind in Klöstern weit verbreitet, da der Chorgesang in der Liturgie ureigenster Kern geistigen Lebens ist“, sagte Penz. Sie ermuntere die Klöster dazu, „auch die rhythmischen Liedern der 1960er-Jahren hier aufzubewahren“: Immerhin dokumentieren die Archivalien die Veränderungen der Messe, des Chores oder der Liturgie.
Teile der eigenen Identität
Neben Heimatforschern und Diplomanten profitierten auch die Orden selbst von ihrem Fundus, betonte die Referatsleiterin, vor allem wenn es um Geschichte und Identität geht: „Kulturgüter sind nicht nur das Gedächtnis der Orden, von denen ja selbst die jüngeren bereits 150 Jahre auf dem Buckel haben, sondern auch Teil ihrer nach Außen sichtbaren Identität.“ Die alten Schriften und Gegenstände würden nicht nur zu Jubiläen benötigt, sondern auch für die Auseinandersetzung mit den Absichten der Ordensgründer. „Sie helfen dabei, den ursprünglichen Ordensauftrag in die Gegenwart zu übertragen.“
Betreut werden die Archive und Bibliotheken meist von Ordensleuten, nur größere Stifte und Klöster beschäftigen aufgrund steigender Anforderungen zunehmend auch Fachangestellte. Penz bemüht sich mit ihrem Referat um die Vernetzung und fachliche Weiterbildung der hier Tätigen, berät und liefert Unterstützung bei aktuellen Themen wie etwa der elektronischen Erfassung der Kulturgüter in einer Datenbank. Die Früchte der Arbeit sind vielseitig: „Das Selbstbewusstsein und Ansehen der Ordensgemeinschaften ist dadurch gestiegen, auch innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft“, so die Expertin. (Infos: www.kulturgueter.kath-orden.at)
Quelle: http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/50768.html