Wegen der langen Debatte über das Verhalten Pius‘ XII. angesichts des Holocaust bekommt die am 2. März anstehende Öffnung seiner Archive große Aufmerksamkeit. Doch Historiker erwarten zu anderen Themen viel mehr Neuigkeiten.
Von Roland Juchem (KNA) | Vatikanstadt – 01.03.2020
Die „Stichwort-Zutaten“ für das, was ab dem 2. März in Rom erforscht werden kann, wecken Erwartungen wie für einen Roman von Dan Brown: Vatikan – Archiv – geheim – Weltkrieg – Holocaust. Indes: In der Realität wird die bald beginnende Arbeit internationaler Historiker deutlich nüchterner ausfallen. Was nichts daran ändert, dass sich ihnen Zugänge zu zwei spannenden Jahrzehnten der jüngeren Geschichte öffnen.
„Im Pontifikat von Pius XII. verdichtet sich gewissermaßen das 20. Jahrhundert insgesamt“, sagt Martin Baumeister, Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Rom. Die knapp 20 Jahre seiner Regierungszeit bildeten „eine Art Scharnier“ in einem Zeitalter der Extreme – zwischen den totalitären Diktaturen einerseits und der einsetzenden Demokratisierung andererseits.
[…]
Geöffnet wird nicht nur das Vatikanische Apostolische Archiv, bis Oktober „Vatikanisches Geheimarchiv“ – wobei „geheim“ nur „privat“ bedeutete. Auch die Archive der Glaubenskongregation und anderer Kurienbehörden öffnen ihre Pforten für Forscher. Damit die darin überhaupt arbeiten können, mussten die Mitarbeiter das gesamte Material erst einmal zusammenstellen und katalogisieren. Und das war viel. 200.000 archivarische Einheiten – Kartons, die wenige Notizzettel oder bis zu 1.000 Blatt Papier enthalten können. […]