Aus dem Kapitel 6: «BIBLIOTHEKS- UND ARCHIVWESEN» (S. 147-153)
Bibliotheken und Universitätsbibliotheken befinden sich derzeit in einer Phase des Wandels und der Neuorientierung. Im digitalen Zeitalter kann Wissen unmittelbar und innerhalb kürzester Zeit weltweit abgerufen werden. Den Universitätsbibliotheken kommt diesbezüglich eine besondere Aufgabe zu: das vorhandene Wissen aufzubereiten und nutzbar zu machen. Neue technologien müssen aufgegriffen werden, um sowohl den Wissenschafterinnen als auch den Studierenden optimale Dienstleistungen zu möglichst geringen Kosten anzubieten. Die Universitätsbibliothek und ihr gesamtes Bibliotheks- und Archivwesen stehen vor der Herausforderung, den unglaublichen Schatz an Wissen mithilfe neuer Technologien zu archivieren, zeitgemäß zu erschließen und den Universitätsangehörigen zur Verfügung zu stellen. Die Universitätsbibliothek hat sich im Jahr 2010 in diesem Sinne in vielen Projekten weiterentwickelt.
Standortreduktion und -verbesserung
Am neuen Standort „haus sensengasse 3a“ wurde die Fachbereichsbibliothek Bildungswissenschaft, Sprachwissenschaft und vergleichende Literaturwissenschaft eingerichtet. Rund 180.000 Bücher, die bisher an neun verschiedenen Standorten zu finden waren, sind nun frei zugänglich und können an sechs Tagen in der Woche vor Ort verwendet bzw. entlehnt werden.
Die am Campus der Universität Wien befindliche Bibliothek für Zeitgeschichte wurde durch ihren Umbau optimiert: Der nun als Freihandbibliothek geführte Standort erhielt unter anderem einen barrierefreien Zugang sowie einen Gruppenarbeitsraum.
Einführung der neuen Suchoberfläche u:search
Im März wurde die neue Suchoberfläche u:search in Betrieb genommen. sie wird sowohl im Online-Katalog als auch auf der Startseite der Bibliothek an prominenter Stelle verlinkt. Damit ist eine erste große Hürde in Richtung Ablöse des Online-Katalogs als Hauptsucheinstieg genommen. Ziel ist die Etablierung eines Suchportals für die gesamte Universitätsbibliothek, d.h. die Zusammenführung verschiedener Sucheinstiege unter einer Oberfläche.
European Summer School of Scientometrics
Die erste European Summer School of Scientometrics (esss), eine Kooperation der Universität Wien mit der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung in Bonn (iFQ) sowie der Katholieke Universiteit Leuven fand von 16. bis 18. Juni 2010 in Berlin statt. Die Veranstaltung wurde von etwa 90 Teilnehmerinnen aus 13 Ländern besucht und ist an der Universität Wien im Team Bibliometrie der Universitätsbibliothek verankert. Nach dem erfolgreichen Launch der esss 2010 in Berlin wird sie 2011 ihre Fortsetzung an der Universität Wien finden.
EU-Projekt OpenAIRE
Im Dezember 2010 wurde das EU-Projekt Openaire (Open access infrastructure for research in europe) von Neelie Kroes, der für die Digitale Agenda zuständigen EU-Kommissarin, offiziell eröffnet. Das Projekt dient dazu, europaweit Strukturen zu schaffen, um von der EU finanzierte Forschungsergebnisse im Internet dauerhaft frei zugänglich zu machen. Gemeinsam mit 37 weiteren europäischen Partnern aus 27 Ländern nimmt die Universitätsbibliothek an diesem zukunftsorientierten Vorhaben teil.
Open Access-Tag
Aufgrund der stetig zunehmenden Bedeutung der Open Access-Bewegung und der jüngsten Aktivitäten der Österreichischen Universitätenkonferenz hinsichtlich einer offensiveren OA-Politik fand am 25. März 2010 im Senatssaal der Universität Wien erstmals ein „Open Access-Informationstag“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Mitarbeiterinnen der Universitätsbibliothek und der Qualitätssicherung.
Universitätsbibliothek wurde EDUG-Mitglied
Die Universitätsbibliothek Wien ist der European Dewey User Group (EDUG) beigetreten. Diese Vereinigung vertritt die europäischen Interessen gegenüber dem OCLC (Online Computer Library Center). Sie sorgt dafür, dass in der DDC (Dewey Decimal Cassification) aktuelle Entwicklungen und europäische Sichtweisen berücksichtigt werden.
Intensivprogramm Grimm-Zentrum an der Universitätsbibliothek
Die 2009 ins Leben gerufene Summer School, die nach dem Grimm-Zentrum, der neuen Zentralbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin, benannt ist, versteht sich als Beitrag zum Lifelong Learning Programme (LLP) im Rahmen des ERASMUS-Austauschs. 2010 richtete die Universitätsbibliothek Wien die Summer School aus und begleitete 24 Teilnehmerinnen aus Bibliotheks- und Informationswissenschaftlichen Studiengängen und zwölf Dozentinnen aus Bulgarien, Deutschland, Litauen, Österreich und Tschechien. Inhalt des zweiwöchigen Kurses waren Vorträge, Seminare, Workshops und Fachdiskussionen zu Themen wie Bibliotheksneubau, bibliothekarische Dienstleistungen, Digitalisierung, Informationskompetenz, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring
Universitätsarchiv: neues Objekt für Schausammlung
2010 kam ein universitätshistorisch besonders interessantes Objekt in die Schausammlung des Archivs: eine Nachbildung der seit dem 18. Jahrhundert verschollenen Dichterkrone des Humanisten Conrad Celtis (1459-1508) nach einem zeitgenössischen Holzschnitt von Hans Burgkmair d. Ä. Die Krönung von Poeten mit dem Dichterlorbeer war eine antike Tradition, die im Zeitalter des Renaissance-Humanismus wiederbelebt wurde. Conrad Celtis selbst war 1487 von Kaiser Friedrich III. in Nürnberg zum Dichter gekrönt worden. Nachdem Celtis 1497 von Kaiser Maximilian I. an die Universität Wien berufen worden war, begründete er hier 1501 ein „collegium poetarum et mathematicorum“, welches – mit kaiserlichen Privilegien ausgestattet – selbst Dichterkrönungen an der Universität Wien durchführen konnte.
Schenkung: Nachlass Karl Kreil
Seit Ende November 2009 lagert ein kleiner Schatz in der Fachbereichsbibliothek Mathematik, Statistik und Informatik – der Nachlass von Karl Kreil (1798-1862). Er war der Wiener Vertreter des Magnetischen Vereins, Astronom und Meteorologe. Ab 1845 war Kreil Direktor der Sternwarte in Prag und ab 1851 Direktor der von ihm gegründeten Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien. Der Magnetische Verein war ein weltweites, geophysikalisches Forschungsprojekt zur Erforschung der zeitlichen und räumlichen Veränderungen des Erdmagnetismus und gilt als erste internationale wissenschaftliche Gesellschaft. Besondere Glanzstücke der Sammlung sind sechs bisher unbekannte Briefe von Gauß an Kreil, ein originales Gaußsches Magnetometer sowie eine Kopie des Urmeters.
Ausstellungs- und Veranstaltungshighlights 2010
Ende April veranstaltete UNIPOrt – das Karriereservice der Universität Wien – im großen Lesesaal der Universitätsbibliothek ein innovatives Projekt zur Berufsorientierung: eine „Lebende Bibliothek der Berufsperspektiven“. Im Zuge der Veranstaltung verwandelte sich der große Lesesaal erstmals zum Ort der Begegnung mit „lebenden Büchern“. Beim Publikum kam der Living Book Day sehr gut an: Rund 400 Leserinnen nahmen die Gelegenheit wahr, sich „ihren Berufswunsch“ für ein Zwiegespräch auszuleihen (vgl. Kapitel 4.4 Unternehmensgründung und Karriereservice).
Der populäre Mathematiker Rudolf Taschner las am 2. Dezember im Kleinen Lesesaal aus seinem neuesten Buch „Rechnen mit Gott und der Welt“. Addition, Subtraktion und Formeln spielten dabei eine untergeordnete Rolle, vielmehr ging es um den philosophischen und kulturhistorischen, aber auch religiösen Blickwinkel auf das breite Feld der Mathematik. Die Lesung war teil einer langjährigen Kooperation mit dem Alumniverband der Universität Wien (vgl. Kapitel 4.6 Alumniverband).
Leistungsbericht & Wissensbilanz 2010 (pdf – 6 MB)