Zur bleibenden Erinnerung an die Bibliothekarin der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Arbeiterkammer Wien Dr. Wanda Lanzer werden demnächst in Wien ein Park und eine städtische Wohnhausanlage benannt. Die Benennungsfeiern, an denen aus Schweden kommend auch Wanda Lanzers Tochter Helena Lanzer-Sillén teilnehmen wird, finden an den folgenden Tagen und Orten statt:
- Freitag, 5.10.2018 um 16:30 Uhr in der Leibenfrostgasse 10, 1040 Wien: Wanda Lanzer – Park
- Montag, 15.10.2018 um 16 Uhr in der Speisinger Straße 84-98, 1130 Wien: Wanda Lanzer – Hof
Wanda Lanzer wurde 1896 als Tochter von Helene und Max Landau in Wien geboren. Ihr Elternhaus war ein beliebter Treffpunkt österreichischer und polnischer Sozialdemokraten. Sie begann ihre Schulbildung in Wien und übersiedelte 1911 nach Lemberg, wohin der Vater seine Rechtsanwaltskanzlei verlegte. Mutter Helene blieb in Wien und wurde enge Mitarbeiterin von Otto Bauer, den sie 1920 heiratete. Wanda maturierte in Lemberg und unterrichtete danach in einem polnischen Mädchengymnasium Deutsch. 1922 kehrte sie nach Wien zurück, zog zu Helene und Otto Bauer und studierte Staatswissenschaften. Sie promovierte beim Austromarxisten Carl Grünberg mit einer Dissertation über marxistische Krisentheorie. Danach trat sie in den Dienst der Wiener Arbeiterkammer, wo sie vorerst in der Berufsberatung und danach in der Sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek tätig war. Ihr bahnbrechendes politisches Engagement galt vor allem der Arbeiterbildung. Mit der Gründung des Vereines „Mittelschulkurs sozialistischer Arbeiter“ leistete sie Pionierarbeit für den „zweiten Bildungsweg“ und ermöglichte einer beträchtlichen Zahl von Arbeiter/innen, nach dem Besuch der Abendschule die Matura abzulegen. 1925 heiratete sie den Juristen Felix Lanzer, der im Wiener Magistrat arbeitete; der Ehe entstammen die Töchter Helena und Gertrude. Nachdem der Austrofaschismus die berufliche Existenz Wanda Lanzers zerstört hatte, drohte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten der Familie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft tödliche Gefahr. Felix Lanzer wurde ein Opfer des NS-Terrors und verschwand spurlos. Wanda Lanzer konnte sich mit den beiden Töchtern ins schwedische Exil retten. Nun begann ein harter Überlebenskampf. Neben ihrer Berufsarbeit im Archiv des Stockholmer Rathauses und der Hausarbeit ging sie mehreren Nebenbeschäftigungen (u.a. Übersetzungen und Nachhilfeunterricht) nach. Auch für den Besuch von politischen Versammlungen musste noch Zeit bleiben. Nach 1945 arbeitete sie als Dolmetscherin in der Betreuung von Holocaust-Überlebenden, ehe sie eine Anstellung im Archiv der schwedischen Arbeiterbewegung fand, wo sie unter anderem den Nachlass des sozialdemokratischen Politikers Hjalmar Branting bearbeitete. Nach der Pensionierung kehrte Wanda Lanzer 1964 nach Wien zurück und war mit ungebrochener Leidenschaft im Sozialarchiv der Arbeiterkammer und im Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung engagiert. Sie sichtete und ordnete die Nachlässe von Victor und Friedrich Adler und arbeitete in ihrem letzten Lebensjahrzehnt noch an der Herausgabe der neunbändigen Werkausgabe ihres Stiefvaters Otto Bauer mit. Wanda Lanzer starb 1980 in Wien und liegt in Stockholm begraben.
Quelle: Heimo Gruber