Arbeitsgruppe für Öffentliche Büchereien innerhalb der VÖB gegründet

Die Öffentlichen Büchereien sind – nach den Schulen – die größte Bildungseinrichtung Österreichs. Im Jahr 2009 gab es 1.444 davon (ohne Schulbibliotheken). Die Büchereien werden jährlich von etwa 860.000 Personen genützt, können knapp 9 Millionen Besuche jährlich verbuchen und bieten den LeserInnen mehr als 10 Millionen Medien an. An ca. 25.500 Büchereiveranstaltungen (davon etwa 14.000 für Schulklassen und Kindergartengruppen) nahmen mehr als 700.000 Personen teil (Zahlen aus der Statistik des BVÖ für 2009).

In Österreichs öffentlichen Büchereien wird hervorragende Arbeit geleistet – dies belegen nicht zuletzt die tollen Erfolge der jährlichen Lesefestwochen „Österreich liest“. Diese Leistungen müssen aber unter widrigen Umständen erbracht werden, denn die Büchereilandschaft ist vor allem durch Mängel gekennzeichnet:

  • Es gibt kein Büchereigesetz, das Kommunen oder andere Einrichtungen dazu verpflichten würde, eine Bücherei einzurichten und zu erhalten; österreichische Büchereien sind daher eine freiwillige Leistung ihrer Träger und können jederzeit aufgelassen oder in ihren Möglichkeiten beschnitten werden.
  • Da es kein Gesetz gibt, existieren auch keine verbindlichen Standards bezüglich Größe, Bestand und Öffnungszeiten für Öffentliche Büchereien; lediglich über Förderungen des BMUKK oder des BVÖ kann steuernd eingegriffen werden.
  • Öffentliche Büchereien in ihrer Gesamtheit existieren nur deshalb, weil es unzählige ehrenamtlich arbeitende BibliothekarInnen gibt; von den etwa 8.300 in Öffentlichen Büchereien tätigen Personen können nur 800 KollegInnen ihren Lebensunterhalt davon bestreiten, alle anderen leisten Freiwilligenarbeit oder betreuen die Bücherei nebenberuflich. Das wirkt sich natürlich auf die Professionalität der Arbeit aus und ergibt viel zu geringe Öffnungszeiten.
  • Öffentliche Büchereien in Österreich sind viel zu klein, um ihrer wachsenden Bedeutung in der Informations- und Wissensgesellschaft gerecht werden zu können; so haben 46% aller Büchereien einen Raum unter 50m2  zur Verfügung, 36% haben eine Fläche von 50 bis 100m2, und nur fünf Einrichtungen können ihren Bestand auf mehr als 1.000m2 anbieten (Zahlen von 2008).
  • Die Ausbildung für (vor allem ehrenamtliche) BibliothekarInnen ist viel zu kurz und wird den seit Jahren steigenden Anforderungen an bibliothekarische Arbeit in keiner Weise gerecht.
  • Aus diesen Mängeln, aber auch aus einer gewissen Lesefaulheit der ÖsterreicherInnen heraus werden Österreichs öffentliche Büchereien von viel zu wenigen Menschen (gerade einmal 10% der Bevölkerung) in Anspruch genommen. Es wird kein Zufall sein, dass die Länder, die bei der PISA-Studie sehr gut abgeschnitten haben, auch ein hochentwickeltes Bibliothekswesen  und einen wesentlich höheren Anteil an LeserInnen haben.

Zu diesen Mängeln kommt als weiteres Manko hinzu, dass in Österreich – anders als in den meisten anderen Ländern Europas – das wissenschaftliche Bibliothekswesen von den Öffentlichen Büchereien strikt getrennt ist. Abgesehen von durch VÖB und BVÖ gemeinsam organisierten Kongressen gibt es kaum Formen der Zusammenarbeit, geschweige denn gemeinsam zu nutzende Einrichtungen wie etwa eine Bibliotheksentwicklungsagentur.

Auch in der VÖB waren bisher fast ausschließlich KollegInnen aus (öffentlichen und privaten) wissenschaftlichen Bibliotheken vertreten. Das soll sich nun ändern: Durch Vorstandsbeschluss vom 30.06.2011 wurde eine Arbeitsgruppe für Öffentliche Büchereien innerhalb der VÖB eingerichtet. Ihre erste Aufgabe wird sein, die VÖB als Vertreterin der Interessen auch an Öffentlichen Büchereien arbeitenden KollegInnen zu positionieren und bekannt zu machen. In diesem Sinne bitte ich alle KollegInnen in der VÖB, die in Öffentlichen Büchereien tätig sind oder solche Personen kennen, mir beim Aufbau der Arbeitsgruppe zu helfen.

In weiterer Folge wird sich die Arbeitsgruppe dann den eingangs geschilderten Problemfeldern zuwenden und eine Strategie zur Überwindung der Mängel entwickeln müssen. Mit Hilfe des Präsidiums und des Vorstands der VÖB wird es hoffentlich möglich sein, Schritte zur Verbesserung des Öffentlichen Büchereiwesens in Österreich anzuregen.

Nikolaus Hamann
Wiener Straße 126
A 2262 Stillfried
Tel. (abends): 0664 / 7375 2040
nikolaus.hamann@gmx.at

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