Wien (OTS) – Die EU-Kommission hat Ende des Vorjahres eine öffentliche Konsultation zur „Überprüfung der Regeln zum EU-Urheberrecht“ eingeleitet. In den vergangenen drei Monaten hatten Bürgerinnen und Bürger sowie Interessensvertretungen die Möglichkeit, durch die Beantwortung von 80 Fragen ihre Ansätze für eine Neuregelung dieses Themenkomplexes in die politische Diskussion einzubringen.
VIBE, der Verein für Internet-Benutzer Österreichs, hat in einem offenen Prozess einige grundlegende Positionen ausgearbeitet, wie das Urheberrecht auf europäischer Ebene an die Rahmenbedingungen des Internetzeitalters angepasst werden kann, wie die Gesellschaft als Ganzes von der Digitalisierung profitieren kann und Kunst- und Kulturschaffende eine faire Vergütung erhalten können.
„Der Themenkomplex rund um Urheber- und Verwertungsrechte ist zur Kampfzone geworden. Wir haben in den vergangenen Wochen einige grundsätzliche Leitlinien ausgearbeitet, wie ein fairer Ausgleich für alle am System Beteiligten erfolgen kann und was zu beachten ist, damit die Regelungen auch in Zukunft tragfähig sind“, so Dr. Joachim Losehand, der die Urheber- und Konsumentenschutzthemen bei VIBE koordiniert.
Die wichtigsten Punkte der VIBE-Antworten sind:
Grundrechte und Bürgerrechte dürfen auch bei der Durchsetzung berechtigter ökonomischer Interessen von Urhebern und Rechteinhabern nicht beeinträchtigt werden
Maßnahmen zur Kontrolle oder Behinderung des freien Internetverkehrs sind ebenso abzulehnen wie territoriale Einschränkungen bei der Verfügbarkeit digitaler Inhalte. Legale Angebote von (auch kostenpflichtig zu nutzenden) Inhalten sind nach wie vor die beste Strategie gegen illegale Angebote.
Ausbau der Möglichkeiten zur kulturellen und gesellschaftliche Teilhabe
Der barrierefreie Zugang zu digitalisierten Werken für ältere und behinderte Menschen ist den aktuellen technischen Möglichkeiten entsprechend auszubauen. Ein breit gefasstes Recht auf Privatkopie, die Erweiterungen der Möglichkeiten für nicht-kommerzielle Nutzung (im Sinne „Recht auf Remix“) sowie eine bessere Unterstützung öffentlicher Bildungsinstitutionen beim Auf- und Ausbau von Online-Angeboten sind weitere Maßnahmen zur Förderung kulturellen Fortschritts.
Technologieneutrale gesetzliche Vergütungsregelungen (Privatkopievergütung)
Die Grundlage für den Zugang zu digitalisierten Werken ist eine Lizenzvereinbarung, die zunehmend Nutzungen unabhängig von der Art der Bereitstellung (Streaming oder Download) und Endgeräten (PC, Smartphone oder Tablet) ermöglicht. Gesetzliche Vergütungsmodelle, die bei Technologien oder Geräten ansetzen, stoßen bereits jetzt bei international tätigen Anbietern und neuen Technologien an ihre Grenzen. Eine nutzerabhängige Abgabe, die pro Haushalt eingehoben wird, ist mittel- bis langfristig die tragfähigste Lösung.
Harmonisierung aller Ausnahmeregelungen insbesondere für private, nicht-kommerziell orientierte Nutzungen und für öffentliche Institutionen wie Archive, Bibliotheken oder Bildungseinrichtungen
Im Bereich der privaten Nutzung braucht es eine klare, rechtssichere und offene Definition nicht-kommerzieller Handlungen im Sinne einer aktiven Teilhabe am kulturellen Leben, sofern diese keine berechtigten Ansprüche kommerziell handelnder Rechteinhaber beeinträchtigen. Dazu zählen auch das Verlinken auf bestehende Inhalte oder das Einbinden über Frames, solange die Quelle erkennbar bleibt. Beides sind keine urheberrechtlich relevanten Handlungen, die genehmigt oder reglementiert werden müssten. Öffentliche Institutionen brauchen klare Regelungen, die sie in ihrem Auftrag unterstützen, das kulturelle Erbe zu bewahren und zugänglich zu machen. Diese Aufgaben können nur eingeschränkt durch kommerzielle private Initiativen erfüllt werden. Hier braucht es klare Bestimmungen für das so genannte E-Lending (Verleihen digitaler Inhalte) und Schrankenregelungen für die Verwendung und Adaption von Materialen im Unterricht. Darüber hinaus sind die Verpflichtung für Rechteinhaber zum Abschluss von Nutzungsverträgen und damit einhergehend das Verbot der Kontingentierung bzw. der zeitlichen Befristung dieser Verträge festzuschreiben.
Mindeststandards für Kulturschaffende durch Urhebervertragsrecht
EU-weite Mindeststandards für die Stärkung der Rechte von Urhebern gegenüber Verwertern in Form eines Urhebervertragsrechts sind aus Sicht von VIBE eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine faire Vergütung der Leistungen Kulturschaffender.
Anpassung der Schutzdauer an tatsächliche kommerzielle Verwertungszyklen
Die aktuellen Schutzfristen korrespondieren in keinster Weise mit den kommerziellen Verwertungszyklen. Ein Werk, das heute von einem 20jährigen geschaffen wird, wird nach aktueller Rechtslage frühestens 2144 gemeinfrei und ist damit erst für die übernächste Generation frei von urheberrechtlichen Einschränkungen nutzbar. Aus Sicht von VIBE scheint eine Schutzfrist angemessen, die die Lebenszeit aller Originalurheber umfasst und eine Kombination mit einer Auswertungsdauer von 20 Jahren pro Werk vorsieht.
Ein Urheberrechtsraum in der EU
Eine allgemeine Grundlizenzierung von Inhalten im gesamten EU-Binnenmarkt, ein einheitlicher öffentlicher Katalog für urheberrechtlich geschützte wie urheberrechtsfreie Werke, harmonisierte Einhebungssysteme für die Privatkopievergütung und EU-weit verbindliche Regelungen für freie Werknutzungen bzw. nicht-kommerziell orientierte Nutzungshandlungen (inkl. „Recht auf Remix“) bilden die Basis für einen funktionierenden Binnenmarkt sowie für zeitgemäßen kulturellen Austausch im Internet bzw. über neue
Technologien.
Die Antworten, die VIBE auf die Fragen der EU-Kommission ausgearbeitet hat, sind im Wortlaut unter http://www.ots.at/redirect/vibe abrufbar.
Die Details zur EU-Konsultation sind hier zu finden: http://www.ots.at/redirect/copyrightrules
Über VIBE
Der Verein für Internet-Benutzer Österreichs (VIBE) hat es sich zur Aufgabe gemacht zu einem mündigen, verantwortungsvollen und selbstbestimmten Umgang mit dem Medium Internet zu ermuntern. Gleichzeitig will er ein öffentliches Bewusstsein schaffen, das
jegliche Versuche diese Freiheiten übermäßig zu beschränken erkennt und verurteilt. Ein aktives Vorgehen gegen derartige Versuche ist für VIBE daher selbstverständlich. Seit der Gründung im Frühjahr 1999 war VIBE unter anderem an der Durchsetzung des Spam-Verbotes in Österreich und der alljährlichen Verleihung der Big Brother Awards beteiligt und wurde gegen Pläne aktiv, welche eine Kostenpflicht beim Rechtsinformationssystem (RIS) vorsahen. VIBE ist Mitglied im weltweiten Dachverband Global Internet Liberty Campaign (GILC), Gründungsmitglied von European Digital Rights (EDRi), Betreiber von priv.at und Tagungsteilnehmer des Internetbeirats. Ein Gründungsmitglied von VIBE hat als Vertreter der Internetbenutzer einen Sitz im 7-köpfigen Domainbeirat.