Vor 200 Jahren, am 20. Juni 1819, wurde der Komponist und naturalisierte Franzose Jacques Offenbach als Sohn eines deutsch-jüdischen Kantors in Köln geboren. Er gilt gemeinhin als der Begründer der Operette, was nur bedingt richtig ist. Zum einen wählte er diesen Begriff für seine musikalischen Bühnenwerke erst später und auch dann nur fallweise, zum anderen betätigte sich sein Kollege Florimond Roger unter dem Künstlernamen Hervé schon vor ihm im gleichen Genre. Fakt ist aber, dass der ungeheure Anfangserfolg und die rasche Verbreitung dieser neuen Gattung vor allem auf Offenbach zurückzuführen ist.
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Das Manuskript
Das Ende 2018 von der Wienbibliothek erworbene Skizzenblatt Offenbachs konnte bislang keiner seiner Kompositionen zugeordnet werden, was bei einem Gesamtschaffen von allein mehr als 100 Bühnenwerken keineswegs verwunderlich ist. Dass es sich um Vorarbeiten zu einem Bühnenwerk handelt, scheint aber klar zu sein: In der linken oberen Ecke der Recto-Seite notierte der Komponist die Worte „Ouverture in a mol“ – obwohl, oder vielleicht gerade weil der Notensatz durch das Generalvorzeichen fis die Tonart e-Moll ausweist. Andere Eintragungen – auf der Verso-Seite – lauten wiederum „a mol“ und „do[?]-mineur 2d fois“ (c-Moll beim zweiten Mal). Dieses unvermittelte Springen zwischen Deutsch und Französisch ist typisch für Offenbach. In seinen Briefen speziell an deutschsprachige Empfänger wechselt Offenbach nicht selten mitten im Satz die Sprache.
Vom musikalischen Inhalt her enthält das Blatt hauptsächlich Melodieskizzen; nur gelegentlich ist die Harmonisierung angedeutet. Interessanterweise bediente sich auch Johann Strauss einer ähnlichen Kompositionsmethode.
Zuletzt sei noch auf die Randzeichnungen hingewiesen, die mit einiger Sicherheit ebenfalls von der Hand Offenbachs stammen dürften. Auch hier ergibt sich eine Parallele zu Strauss, wenngleich dieser seinen bildnerischen Fantasien nur höchst selten auf Notenblättern Gestalt verlieh. Eine Deutung des schwer leserlichen Namens auf dem Bauch der mit Bleistift gezeichneten rechten unteren Figur sei an dieser Stelle nicht gewagt. Bemerkenswert ist allemal die Figur am oberen Rand. Stellt sie einen Skifahrer dar? Der Skisport verbreitete sich in Mitteleuropa, von Norwegen ausgehend, erst nach Offenbachs Tod. Allerdings brachten bereits im 17. Jahrhundert russische Einwanderer Ski nach Slowenien, was jedoch nur zu einer eng begrenzten lokalen Bedeutung führte. Doch wieso widmete sich Offenbach überhaupt diesem Thema? Stellt die Figur am Ende etwas ganz anderes dar, vielleicht mit Bezug auf den Inhalt der auf dem Notenblatt konzipierten Operette? Es bleibt jedenfalls noch einiges zu klären.
Siehe dazu: https://www.wienbibliothek.at/bestaende-sammlungen/objekt-monats-juni-2019-200-geburtstag-jacques-offenbach