Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-531/07
Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft / LIBRO Handelsgesellschaft mbH
DAS GEMEINSCHAFTSRECHT STEHT VORSCHRIFTEN WIE DER ÖSTERREICHISCHEN REGELUNG ÜBER DIE BUCHPREISBINDUNG ENTGEGEN
Das Verbot für Importeure deutschsprachiger Bücher, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, stellt eine Behinderung des freien Warenverkehrs dar, die nicht gerechtfertigt werden kann
Die österreichische Regelung über die Preisbindung für deutschsprachige Bücher sieht vor, dass der Verleger oder Importeur verpflichtet ist, einen Letztverkaufspreis festzusetzen und diesen bekannt zu machen, und dass der Importeur den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten darf.
Nach dieser Regelung ist der Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft für die Veröffentlichung der Letztverkaufspreise zuständig, an die die Buchhändler beim Verkauf deutschsprachiger Bücher in Österreich gebunden sind.
Die LIBRO Handelsgesellschaft mbH betreibt 219 Filialen in Österreich; 80 % der von ihr vertriebenen Bücher stammen aus dem Ausland.
Ab August 2006 begann LIBRO, auf der Grundlage der in Deutschland praktizierten Preise im Inland den Verkauf von in Deutschland verlegten Büchern zu Preisen zu bewerben, die unter den für Österreich festgesetzten Mindestpreisen liegen.
Der Fachverband beantragte beim zuständigen österreichischen Gericht eine einstweilige Verfügung, mit der LIBRO aufgetragen werden sollte, eine solche Werbung zu unterlassen. Das Erstgericht gab diesem Antrag statt, da es der Auffassung war, dass das österreichische System der Preisbindung, selbst wenn es eine Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle, „aus kulturellen Gründen und zur Erhaltung der Medienvielfalt gerechtfertigt“ sei. Diese Entscheidung wurde durch das Rekursgericht bestätigt.
LIBRO focht die Entscheidung des Rekursgerichts vor dem Obersten Gerichtshof an, der den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit der österreichischen Vorschriften über den Preis importierter Bücher mit dem Gemeinschaftsrecht fragt.
Insoweit erinnert der Gerichtshof zunächst daran, dass nach ständiger Rechtsprechung jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt. Hingegen sind nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten beschränken oder verbieten, nicht geeignet, eine Behinderung dieses Handels zu begründen, sofern sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten in der gleichen Weise berühren.
Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass sich die österreichischen Vorschriften zwar auf die Modalitäten des Verkaufs der Bücher beziehen, sie jedoch mit der Verpflichtung für Importeure, den im Verlagsstaat praktizierten Preis nicht zu unterschreiten, den Absatz inländischer Bücher und den von Büchern aus anderen Mitgliedstaaten nicht in der gleichen Weise berühren.
Die fragliche Regelung sieht nämlich eine weniger günstige Behandlung für deutschsprachige Bücher aus anderen Mitgliedstaaten als für inländische Bücher vor, da sie österreichische Importeure und ausländische Verleger daran hindert, Mindestpreise für den Einzelhandel anhand der Merkmale des Einfuhrmarktes festzulegen, wohingegen es österreichischen Verlegern freisteht, für ihre Erzeugnisse Mindestpreise für den Letztverkauf auf dem inländischen Markt in dieser Weise selbst festzulegen.
Solche Vorschriften stellen daher eine Beschränkung des freien Warenverkehrs dar.
Der Gerichtshof führt weiters aus, dass diese Beschränkung nicht gerechtfertigt ist. Er hebt insbesondere hervor, dass der Schutz von Büchern als Kulturgut als zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses angesehen werden kann, das geeignet ist, Maßnahmen zu rechtfertigen, die den freien Warenverkehr beschränken, sofern mit ihnen das gesetzte Ziel erreicht werden kann und sie nicht über das hinausgehen, was für die Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kann das Ziel des Schutzes von Büchern als Kulturgut durch für den Importeur weniger beschränkende Maßnahmen erreicht werden, beispielsweise dadurch, dass ihm oder dem ausländischen Verleger erlaubt wird, einen Verkaufspreis für den österreichischen Markt festzusetzen, der den Besonderheiten dieses Marktes Rechnung trägt.
Folglich hat der Gerichtshof entschieden, dass die österreichische Regelung, die Importeuren deutschsprachiger Bücher untersagt, einen vom Verleger im Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis zu unterschreiten, eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt, die durch das Gemeinschaftsrecht nicht gerechtfertigt werden kann.
Pressemitteilung: http://curia.europa.eu/de/actu/communiques/cp09/aff/cp090041de.pdf