Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) im österreichischen Rechtsinformationssystem (RIS) nun für die Zeit 1919 bis 1979 ergänzt

Das Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) hat ganz aktuell insgesamt 12.458 Datensätze, betreffend VfGH-Judikate der Jahre 1919 bis 1979, in die RIS-Applikation „Judikatur Verfassungsgerichtshof (VfGH)“ integriert. Damit ist nunmehr ein Großteil der historischen Judikatur des VfGH auch über das RIS zugänglich und über die Metadaten durchsuchbar. Bislang beinhaltete die Applikation allein Rechtssatz-Dokumente und Volltexte betreffend die VfGH-Judikatur ab 1980. Mit der Erweiterung wurde der bisher fehlende historische Vorbau zumindest mit Abstracts und Digitalisaten eines Großteils der Vorjudikatur ergänzt.

Die RIS-Applikation enthält nun 6262 neue RS-Dokumente mit Abstracts basierend auf Metadaten der nicht mehr vertriebenen DVD „Recht compact“ (Verlag Österreich, Wien 2014 – mehr dazu sogleich weiter unten). In den Fällen, in denen diese Metadaten auf einen Abdruck des Judikats in der amtlichen Sammlung des VfGH verweisen, sind zusätzlich Entscheidungstext-Dokumente angelegt worden (6196 neue TE-Dokumente). Diese enthalten nun entgegen der bisherigen Praxis im RIS keinen Volltext in HTML, sondern eine Verlinkung auf ein PDF-Digitalisat der betreffenden Nummer der amtlichen Sammlung. Diese Digitalisate entstammen der internen VfGH-Intranet-Applikation „VfSlg- digital“.

Abb. 1: RS- und TE-Dokumenten vom 01.01.1918 bis 31.12.1979 im RIS

Woher stammen diese Inhalte I (Metadaten -> Rechtssatzdokument)?

Das RIS hat die Metadaten aus der „Recht compact. OGH compact und VfGH/VwGH compact„-DVD, die der Verlag Österreich letztmalig im März 2014 zum inhaltlichen Stand Dezember 2013 publiziert hatte, übernommen. Der Verlag hat dieser Übernahme zugestimmt.

Die Inhalte des „VfGH compact“-Teils der DVD stammen aus diversen Leitsatzsammlungen des VfGH, und zwar lt. Angaben der DVD aus :

  • Judikatenbücher 1919–1974
  • Judikaturdokumentation des VfGH in gebundener Form 1975–1989
  • Judikaturdokumentation des VfGH in Leit- und Rechtssätzen in Loseblattform (Zettelkatalog) ab 1990

Der nun in das RIS übernommenen Teil bis 1979 gründet sich also auf die blauen Bände der so genannten Judikatenbücher des VfGH:

Abb. Die Bände der blauen Judikatenbücher des VfGH bis 1979

  • Verfassungsgerichtshof (Hrsg.): Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes 1919–1964, bearb. von Johann Hirsch unter Mitarb. von Alfred Kaltenberger, 2 Bde., Verlag der österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1966, 1931 Seiten
  • Verfassungsgerichtshof (Hrsg.): Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes 1965–1969, bearb. von Johann Hirsch unter Mitarb. von Gerhard Egger, Verlag der österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1971, 1138 Seiten
  • Verfassungsgerichtshof (Hrsg.): Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes 1970–1974, bearb. von Erwin Melichar und Eleonore Ostermann, Verlag der österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1975, 972 Seiten
  • Verfassungsgerichtshof (Hrsg.): Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes 1975–1979, bearb. von Erwin Melichar und Eleonore Berchtold-Ostermann, Selbstverlag, Wien 1984, 1031 Seiten

Die Daten in diesen Judikatenbüchern waren alphabetisch nach Sachschlagworten geordnet. Unter dasselbe Schlagwort fallende Judikate wurden chronologisch angeordnet. Nach den jeweiligen Leitsätzen ist die Sammlungsnummer angegeben. Eine Judikat kann dabei durchaus in mehreren Leitsätzen abgebildet sein. Jedenfalls ist bei der Suche nach historischer Judikatur vor 1965 zu beachten, dass diese Judikatenbücher die alte Judikatur nicht vollständig abdecken. Im Vorwort des ersten Bandes hat Johann Hirsch, Mitglied des VfGH, 1966 die Art und Weise der Zusammenstellung der Judikatur näher erläutert:

„Die nicht mehr aktuellen Gebiete der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in früheren Jahren wurden in die Zusammenstellung nicht aufgenommen.  Es wurde jedoch überholte Judikatur dort aufgenommen, wo es von Interesse sein dürfte, die Entwicklung der Rechtsprechung aufzuzeigen.
Bei jenen Feststellungen des Verfassungsgerichtshofes, die in einer großen Zahl von Entscheidungen ständig wiederkehrend enthalten sind, wurden nur einige, bei weitem nicht alle dieser Entscheidungen beispielsweise zitiert.“

Die Judikatenbücher entsprangen somit einem durchaus aktuellen Zweck. Die Mitglieder des VfGH sollten sich mit diesen Büchern einen schnellen Überblick über die in den Erkenntnissen enthaltenen Rechtsanschauungen verschaffen können. Dies entsprach den Vorgaben des § 44 der Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofes (BGBl. 202/1946 idgF). Es gab zwar die chronologische Veröffentlichung der Judikatur im Volltext in den Bänden der so genannten „Verfassungssammlung“ (= Amtliche Sammlung), aber keine systematische oder sachlich geordnete Überblicke. Durch die Publikation der Judikatenbücher wurde nun auch der interessierten Öffentlichkeit und der Rechtswissenschaft dieses zuerst private, dann interne Nachschlagewerk zur Verfügung gestellt und füllte eine angesichts der zunehmenden Masse an Judikatur drängend angesehene Lücke der Rechtsinformation. Dies ist umso mehr zu betonen, als der Überblick von Johann Hirsch selbst erstellt worden war und – wie der Präsident des VfGH, Prof. Walter Antoniolli, in seinem Vorwort zu Band 1 (1966) ausführte, „völlig selbstlos diese Übersicht dem Verfassungsgerichtshof und der Öffentlichkeit geschenkt“ habe. Er führte auch aus:

Von welcher Bedeutung eine handlichen Übersicht über die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist, muß nicht dargetan werden.

Allerdings hat er auch abschließend auch warnend vermerkt:

Wer immer zu dieser Übersicht greift, benütze sie als Wegweiser zu den Entscheidungen selbst, die in der Amtlichen Sammlung enthalten sind. Hinweise – und mehr enthält diese Übersicht nicht – können nie die Kenntnis der Entscheidungen selbst ersetzen.

Woher stammen diese Inhalte II (Digitalisate -> Textdokument)?

Die Digitalisate der einzelnen Judikate aus der VfSlg wurden vom VfGH zur Verfügung gestellt und entstammen einem Digitalisierungsprojekt aus 2010/11, das in dieser Form (PDF der einzelnen Sammlungsnummern) im Intranet des VfGH in der „VfSlg digital“ bislang nur intern zugänglich gemacht worden war.

Ein Spin-off dieses Digitalisierungsprojekts war die Übergabe der Daten der VfSlg bis 1979 auch an das ALEX-Portal der ÖNB (dazu auch: VfSlg des VfGH nun zur Gänze auf dem ALEX-Portal online). Dort muss man allerdings in den Seiten blättern und kann Downloads nur on the fly generieren, wofür man den genauen Seitenbeginn und das genaue Ende eintragen muss. Dieser Vorgang ist ein wenig zeitintensiver und damit mühsamer.

Wie sind die Inhalte im RIS dargestellt?

Wie schon erwähnt, wurden in den Judikatenbücher die kurzen inhaltlichen Zusammenfassungen der Judikatur (Abstracts) nach Sachschlagworten gegliedert abgedruckt. Innerhalb desselben Schlagworts sind die Zusammenfassungen chronologisch geordnet. Am Schluss eines Eintrags finden sich die Verweise auf den Abdruck in der amtlichen „Verfassungssammlung“. Falls kein Abdruck in der Sammlung erfolgte, steht ein Verweis auf die Geschäftszahl mit Datum des Erkenntnisses bzw. Beschlusses.

In der DVD „Recht compact“ wurden die Angaben der Judikatenbücher in die folgende Metadaten-Rubriken umgearbeitet, chronologisch gelistet, auf mehrere Schlagworte verteilte Einträge zusammengeführt und durchsuchbar gemacht:

  • Datum
  • Quelle
  • Sammlungsnummer
  • Geschäftszahl
  • Rechtsvorschrift(en)
  • Leitsatz
  • Schlagworte

a) RIS-Rechtssatzdokument

In der RIS-Applikation „Judikatur Verfassungsgerichtshof (VfGH)“ sind die DVD-Angaben in die bestehenden Metadatenfelder des RIS eingebracht worden, und zwar mit der folgenden Zuordnung im Rechtssatz-Dokument:

DVD RIS
= Entscheidungsart
Datum = Entscheidungsdatum
Quelle = Gericht
Sammlungsnummer = Sammlungsnummer
Geschäftszahl = Geschäftszahl
= Index
Rechtsvorschrift = Norm
= Beachte
Leitsatz = Rechtssatz
= Entscheidungstexte (Verweis auf Volltext)
Schlagworte = Schlagworte
= European Case Law Identifier (ECLI)
= Zuletzt aktualisiert am
= (RIS-)Dokumentennummer

Bei den Rubriken „Index“ und „Entscheidungsart“ ist standardmäßig, bei der Rubrik „Norm“ fallweise der Eintrag „keine Angabe“ dazugesetzt.

Die „Norm„-Angaben sind – wenn ausgefüllt – in ausgeschriebener wie abgekürzter Form gesetzt. Bspw. bei K 3/32:

Staatsgrundgesetz Art 12, StGG Art 12
Vereinsgesetz 1951 §6, VerG 1951 §6
Vereinsgesetz 1951 §24, VerG 1951 §24

Im „Beachte“-Feld finden sich Angaben zur Herkunft der Daten:

Metadatenquelle: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014

Der RIS-„Rechtsssatz“ enthält die Abstracts (Leitsätze) der DVD. Wurden darin Abkürzungen für Normen verwendet, waren diese auch gleichzeitig automatisch verlinkt in den ebenfalls auf der DVD vorhandenen Normenbereich. Diese Abkürzungen/Verlinkungen wurden im RIS aufgelöst und durch geschwungene Klammern { } angezeigt: Ein DVD-Inhalt der beispielsweise lautete auf

Dem Antrag des OGH auf Aufhebung des § 23 StGB, BGBl. 60/1974, wird nicht Folge gegeben.

wurde im RIS zu:

Dem Antrag des OGH auf Aufhebung des {Strafgesetzbuch § 23, § 23 StGB}, BGBl. 60/1974, wird nicht Folge gegeben.

Die Rubrik „Entscheidungstexte“ verweist automatisiert zu einem Volltextdokument. Allein beim Volltextdokument sind die PDF-Digitalisate des betreffenden Judikats zu finden (siehe unten unter 2).

Schlagworte wurden nicht – wie bisher – durch Beistriche voneinander getrennt. Auch zusammengesetzte Schlagworte, die durch Virgel miteinander „verbunden“ sind (etwa: VfGH / Legitimation), kommen in den alten Daten nicht vor. Die Schlagworte sind vielmehr einfach mit Leerzeichen aneinander gereiht.

Neu vergeben wurden ECLIs (European Case Law Identifiers) für jeden einzelnen Fall.

Zuletzt aktualisiert am“ sowie „(RIS-)Dokumentennummer“ sind RIS-spezifische Metadaten.

Abb. Das RIS-Rechtssatzdokument zu B 162/76

b) RIS-Entscheidungstextdokument

Zu jedem Verweis auf eine Sammlungsnummer wurde auch ein eigenes Entscheidungstextdokument angelegt:

Die Metadaten entsprechen denen des dazugehörenden Rechtssatzdokuments, allein die Rubriken „Beachte“, „Spruch“ und „Begründung“ divergieren.

Das „Beachte„-Feld verweis auf die für die Metadaten und PDF-Digitalisate unterschiedlichen Quellen:

Metadaten: DVD Recht compact, Verlag Österreich, Wien 2014 – Judikaturquelle (PDF): Sammlung der Erkenntnisse [und wichtigsten Beschlüsse] des Verfassungsgerichtshofes NF 1–32 (1920–1932/33, 1945/46–1967) / Erkenntnisse und Beschlusse des Verfassungsgerichtshofes NF 33–44 (1968–1979)

Spruch“ und „Begründung“ verweist auf das Digitalisat:

Siehe PDF-Dokument

Das Digitalisat selbst kann nur über das rechts oben befindliche PDF-Icon der Rubrik „Hauptdokument“ (Abb. siehe Pfeil!) erreicht werden.

Von der Systematik her, bricht die Darstellung des RIS-Entscheidungstextdokuments ein wenig, die bisher gewohnte Darstellung. Sie wurde vom RIS aus technischen Gründen gewählt, um die Digitalisate einpflegen zu können. Ein Link auf die Nummer des Felds „Sammlungsnummer“ war anscheinend nicht umsetzbar.

Abb. Das RIS-Entscheidungstextdokument zu B 162/76. 

Ergebnis

6.262 historische Datensätze wurden in das RIS (VfGH) als Rechtssätze neu eingespielt. 6196 Entscheidungstextdokumente enthalten dazu die Digitalisate der betreffenden VfSlg-Nummern. Damit sind im RIS ca. 2/3 der alten, in der VfSlg abgedruckten Judikatur bis 1979 enthalten und können über Metadaten gesucht und gefunden werden.

Aber Vorsicht (der Hinweis sei trotzdem hier angebracht!): Es ist die alte Judikatur nicht vollständig enthalten. Wer einzelne Judikate vermisst, wird weiterhin auf die vollständige Wiedergabe der VfSlg bis 1979 im ALEX-Portal der ÖNB verwiesen (siehe dazu: VfSlg des VfGH nun zur Gänze auf dem ALEX-Portal online).

Insgesamt weist das RIS (VfGH) nun aktuell (08.06.2018) 20.995 Rechtssätze und 22.188 Entscheidungstexte (Volltexte) auf, wobei 6196 von letzteren Verweise auf VfSlg-Digitalisate sind.

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