IFLA Statement on Government Provision of Public Legal Information in the Digital Age (2016), translated into German. Prepared by IFLA’s Law Library Section and adopted by the IFLA Governing Board, on 13 December 2016.
The statement draws on principles established in previous declarations and resolutions of IFLA as well as several from other organizations, notably the United Nations 2030 Agenda for Sustainable Development. It is intended to confirm the continued applicability of these principles to public legal information in digital format, and to set out what governments can do to deliver on them.
Translation by: Cornelie Butz / Cathleen Rabe-Rosendahl; Christine Wellems, Leipzig / Hamburg June 2017, see at, https://www.ifla.org/publications/node/11064
Full text at, https://www.ifla.org/files/assets/clm/statements/ifla-statement-on-public-legal-information-and-annex-de.pdf
IFLA-Erklärung zur staatlichen Bereitstellung von Rechtsinformationen im digitalen Zeitalter
Einführung
Die Freiheit, Informationen zu suchen und zu erhalten, ist in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen als fundamentales Menschenrecht anerkannt. Das Recht auf Informationszugang ist im Hinblick auf staatliche Rechtsinformationen besonders wichtig. Weltweit sollten Menschen in der Lage sein, problemlos Zugang zu den Rechtsvorschriften zu erhalten, die ihren Alltag regeln. Einen solchen Zugang zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe des Staates und notwendig für Transparenz und Rechenschaftspflicht, für zivilgesellschaftliches Engagement und eine gerechte Gesellschaft.
Im prädigitalen Zeitalter sammelten Bibliotheken und Bibliotheksfachpersonal gedruckte Ausgaben von authentischen und amtlichen Versionen von Rechtsmaterialien, sorgten für deren Zugänglichkeit und bewahrten sie für die Zukunft.
Im digitalen Zeitalter stellen viele Staaten den Bürgerinnen und Bürgern OnlineVersionen der primären Rechtsquellen zur Verfügung. Dazu gehören Gesetze, Gerichtsentscheidungen und Verordnungen. So ist es der Öffentlichkeit möglich, ständig und gleichberechtigt Zugang zu diesen Ressourcen zu erhalten, vorausgesetzt, ein Internetzugang ist verfügbar und bezahlbar.
Dennoch ist die bloße Bereitstellung von Rechtsinformationen im Internet nicht ausreichend. Staatliche (Informations-)Anbieter müssen sicherstellen, dass die Inhalte, die sie veröffentlichen, für jeden kostenlos [1] verfügbar [2] sind, dass die Inhalte authentisch und vertrauenswürdig sind und dass sie durch die Kooperation mit Archiveinrichtungen dauerhaft für die öffentliche Nutzung erhalten bleiben.
Allerdings hat eine Reihe von Ländern diese Thematik noch nicht erkannt oder bisher nur unzureichend darauf reagiert. Einige Staaten bieten noch keinen Online-Zugang zu ihren staatlichen Rechtsinformationen an. In anderen Ländern, die einen solchen Zugang bereits bereitstellen, kann dieser mittels exklusiver Vereinbarungen für die Veröffentlichung oder die Online-Verbreitung von Amtsblättern limitiert sein, da diese nur kostenpflichtige Zugänge ermöglichen. Sogar ein Staat, der bereits einen gleichberechtigten und dauerhaft kostenlosen Zugang zu digitalen Rechtsinhalten bereitstellt, schützt möglicherweise die Authentizität dieser Rechtsinhalte durch mangelnde technische Vorkehrungen nicht ausreichend oder ergreift nicht die notwendigen Schritte, um die Inhalte für einen dauerhaften Zugriff durch die Öffentlichkeit zu erhalten.
Die folgende Stellungnahme beruht auf Grundsätzen, die in vorangegangenen IFLA Erklärungen und Resolutionen ebenso wie in Erklärungen anderer Organisationen, insbesondere der UN 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung [3], bereits festgelegt wurden. Sie hat das Ziel, die dauerhafte Anwendbarkeit dieser Grundsätze in Bezug auf staatliche Rechtsinformationen in digitaler Form zu bestätigen und darzulegen, was Regierungen zu ihrer Umsetzung tun können.
Zugang
Der Staat ist Urheber von staatlichen Rechtsinformationen wie Gesetzen, Verordnungen und Gerichtsurteilen. [4] Die (Weiter-)Entwicklung des Internets hat es den Staaten weltweit ermöglicht, ihren Bürgerinnen und Bürgern einen erheblich verbesserten Zugang zu Rechtsinformationen bereitzustellen und transparent zu regieren.
Diesbezüglich haben alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen der UN 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung zugestimmt, d.h. sie sind sich einig, friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung zu fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz zu ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufzubauen. Der Zugang zu Informationen ist hierbei zentral, wie das Unterziel 16.10 verdeutlicht:
Den öffentlichen Zugang zu Informationen gewährleisten und die Grundfreiheiten schützen, im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und völkerrechtlichen Übereinkünften
Über die Arbeit bei den Vereinten Nationen hinaus haben 70 Staaten die Open Government Declaration [5] unterzeichnet, die sie zur Einhaltung der Grundsätze des offenen und transparenten Regierungs- und Verwaltungshandelns (open and transparent government) verpflichtet. Die Montreal Declaration von 2002 bezeichnet frei zugängliche Rechtsinformationen als „Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit“ und als essentiell für die Rechte und Pflichten der Mitglieder einer gerechten Gesellschaft. Zugang zu staatlichen Rechtsinformationen „fördert Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit“.
Wie diese Übereinkommen zeigen, profitieren sowohl die Öffentlichkeit als auch der Staat von der Bereitstellung eines kostenfreien Online-Zugangs zu Rechtsinformationen, da ein solcher zivilgesellschaftliches Engagement fördert und die Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen an der politischen Entscheidungsfindung vereinfacht.
Authentisierung
Die Übernahme digitaler Technologie hat die Art und Weise verändert, in der Regierungen und Verwaltungen Rechtsinformationen produzieren, verwalten und den Nutzern und Nutzerinnen zur Verfügung stellen. In einigen Staaten ersetzen OnlineRechtsquellen die früheren gedruckten Versionen der staatlichen Rechtsinformationen, was häufig (kurzfristig) zu Einsparungen führt. Im Gegensatz dazu sehen andere Staaten, die bisher kein offizielles Verfahren für die gedruckte Veröffentlichung ihrer Gesetze hatten, in der Online-Veröffentlichung nun eine Möglichkeit, erstmals einen öffentlichen Zugang zu diesen Materialien zu gewähren.
Wenn jedoch Staaten Technologien dafür nutzen, ihre Rechtsinformationen digital zu veröffentlichen, dann müssen sie auch einige neue und komplexe Aspekte wie z.B. die Authentisierung (d.h. die Bescheinigung der Echtheit) berücksichtigen.
Da digitale Informationen anfällig für Änderungen sind, besteht in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung im Hinblick auf das Risiko unauthorisierter Fassungen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich sicher sein können, dass die Dokumente auf Webseiten des Staates echt und unverändert sind und dass ihre Herkunft klar benannt sowie durch technische Maßnahmen verifizierbar ist. Sie müssen darauf vertrauen können, dass der Inhalt als verbindliche und verlässliche Rechtsaussage anerkannt wird. Digitale Rechtsinformationen sollen so offiziell und vertrauenswürdig sein wie die gedruckten Versionen. Der Inhalt muss durch technische Vorkehrungen vor zufälligen Veränderungen und Angriffen auf die Internetsicherheit wie z.B. durch Hackerangriffe geschützt werden.
Erhaltung und langfristiger Zugang
Um Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten und Gerechtigkeit zu fördern, muss es eine Langzeitarchivierung und eine Bestandserhaltung der staatlichen Rechtsinformationen geben. Dies betrifft auch frühere Gesetzesfassungen, für die auf diese Weise eine kontinuierliche Verfügbarkeit gewährleistet sein muss.
Ausschließlich digital vorhandene Rechtsinformation, d.h. solche, für die kein gedrucktes Äquivalent existiert, können Probleme bereiten im Hinblick auf technologische Alterung, Medienmigration und möglichen Verfall im Laufe der Zeit. Wie im Jahre 2012 in der UNESCO/UBC Vancouver Deklaration [6] ausgeführt wurde, müssen die Staaten weltweit verstehen, dass „die gute Verwaltung vertrauenswürdiger digitaler Informationen grundlegend für eine nachhaltige Entwicklung“ ist. Sie müssen die Verantwortung dafür übernehmen, „Strategien für ein Open Government zu entwickeln… um Vertrauen und Verlässlichkeit bezüglich des digitalen amtlichen Schriftguts zu schaffen und aufrecht zu erhalten“.
Regierungen sollten sicherstellen, dass staatliche Rechtsinformationen in digitalem Format trotz technischen Versagens, Alterns der Hardware und des technologischen Wandels für künftige Generationen zuverlässig erhalten bleiben. Hierzu sollten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die die Echtheit des Inhalts sicherstellen und eine zusätzliche Sicherung (Backup) sowie eine Wiederherstellung im Krisenfall ermöglichen. Um zu gewährleisten, dass diese Inhalte auch weiterhin für die Öffentlichkeit verfügbar und nutzbar bleiben, müssen Pläne vorhanden sein, um, wenn die Technologie weiter voran schreitet, auf neue Plattformen zu migrieren – wobei die Zugänglichkeit auch für diese Zeit gewährleistet sein muss. Weiterhin muss eine stabile Webadresse vorhanden sein (um die Erreichbarkeit nicht durch „tote Links“ zu vereiteln). Ebenso tragen zwischenstaatliche Organisationen die Verantwortung dafür, durch die Verabschiedung einer Strategie zur digitalen Bestandserhaltung sicherzustellen, dass ihre Beschlüsse und andere digitale Dokumente über lange Zeit öffentlich nutzbar bleiben. Dieser Aspekt geht jedoch über das Thema dieser Erklärung hinaus.
In der Welt gedruckter Veröffentlichungen spielten Bibliotheken eine große Rolle, indem sie gedruckte Ausgaben der Rechtsliteratur sammelten und aufbewahrten. Im digitalen Zeitalter ist die Verantwortung dafür, Rechtsdokumente langfristig (über die Zeit) und in verschiedenen Formen zu erhalten und zu archivieren, auf den Staat selbst übergegangen, oft in Partnerschaft mit den Bibliotheken, Archiven oder anderen Institutionen, die der Wissensspeicherung dienen. Für die Erreichung der Ziele, die in der Vancouver Deklaration festgelegt sind, ist die Effektivität solcher Partnerschaften sicherzustellen.
Empfehlungen
Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen und im Zusammenhang mit dem von den Vereinten Nationen vorgegebenen Ziel, staatliche Informationen für die Bürgerinnen und Bürger verfügbar zu machen, ruft die IFLA die Regierungen im Hinblick auf staatliche Rechtsinformationen auf, Folgendes zu tun:
- Sicherzustellen, dass alle in digitalem Format erstellten staatlichen Rechtsinformationen für die Öffentlichkeit in einer angemessenen Weise und ohne Gebühren gleichberechtigt für alle zugänglich sind;
- Offizielle Veröffentlichungen von Gesetzen und rechtlichen Regelungen in digitalem Format durch Authentisierung zu schützen, indem technologische Vorkehrungen genutzt werden um sicherzustellen, dass der Inhalt vertrauenswürdig ist. Dies ist für die Öffentlichkeit kenntlich zu machen;
- Technologie-basierte Authentisierungsmaßnahmen bereits bei der Schaffung von Onlinemedien für staatliche Rechtsinformationen mit einzubeziehen – anstatt solche Technologien erst im Nachhinein einzusetzen. Insbesondere im Fall von Entwicklungsländern wird es langfristig Zeit und Geld sparen, dies von Anfang an zu berücksichtigen.
- Effiziente Strategien und Programme für die Erhaltung vertrauenswürdiger rechtlicher Veröffentlichungen in digitalem Format zu entwickeln und zu implementieren. Wenn es geeignet erscheint, ist dies in Partnerschaft mit Bibliotheken, Archiven oder anderen geeigneten Institutionen vorzunehmen. Werden neue Technologien genutzt, um Rechtsinformationen digital verfügbar zu machen, ist sicherzustellen, dass diese Technologien die Bestandserhaltung erleichtern, so dass die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit dauerhaft gesichert ist;
- Langfristig erhaltene Materialien der Öffentlichkeit ständig kostenlos zur Verfügung zu stellen;
- Strategien für das Angebot eines Online-Zugangs zu staatlichen Rechtsinformationen in die nationalen Aktionspläne für die Implementierung der UN 2030 Agenda aufzunehmen.
Erstellt von der IFLA Fachgruppe Juristische Bibliotheken
Verabschiedet durch das IFLA Governing Board, 13. Dezember 2016
Übersetzung: Cornelie Butz/Cathleen Rabe-Rosendahl; Christine Wellems, Leipzig/Hamburg Juni 2017
[1] Öffentliche Rechtsinformationen sollten außerdem für Menschen mit Leseeinschränkung gemäß der Verpflichtung aus Artikel 21 des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zugänglich sein, Volltext des Übereinkommens: BGBl. 2008 II, S. 1419 oder online unter http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl208s1419.pdf (abgerufen 19.06.2017)
[2] Regierungen berufen sich in manchen Fällen auf Urheberrechte bezüglich staatlicher Rechtsinformationen, die oftmals mit einer Gebührenerhebung verbunden sind. Dies ist problematisch, geht jedoch über den Rahmen dieser Erklärung hinaus.
[3] http://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf (deutsche Version, abgerufen 19.06.2017). Siehe auch Anhang 1 mit einer Liste von Verweisen und unterstützenden Dokumenten 4 In manchen Fällen bezieht sich die staatliche Rechtsinformationsdokumentation auf die Normen Dritter, die dadurch rechtliche Wirkung entfalten. Diese Normen sind von dieser Erklärung erfasst.
[5] https://www.opengovpartnership.org/open-government-declaration (abgerufen 19.06.2017)
[6] http://www.ifla.org/files/assets/hq/news/documents/vancouver-declaration-2012.pdf (abgerufen 19.06.2017)
Quelle: https://www.ifla.org/node/11512