Ein Gastbeitrag aus der profunder Feder von Petra Dünges, für den ich mich ganz herzlich bedanke:
Die Online-Datenbank buchhandel.de des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ist auch seit einem Update von Mitte November 2014 noch grob fehlerhaft und bildet das Verzeichnis Lieferbarer Bücher immer noch nicht ab.
Der Zornesausbruch von Josef Pauser über die beta-Version von buchhandel.de aus dem Oktober 2014 ist völlig verständlich. Denn es ist ohnehin schon ein Witz, eine beta-Version frei verfügbar ins Internet zu stellen. Aber dieser Witz ist ein besonders schlechter, denn die Version vom Oktober ist derart mangelhaft, dass man sich fragen muss, ob sie überhaupt getestet worden ist, bevor sie freigegeben wurde. Da lacht wohl nur einer: amazon!
Was ist da los? Kann man sagen: „Armes Deutschland! Du glückliches Österreich, Du hast es besser!“? Denn immerhin ist die alte Profisuche im Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) bei buchhandel.at verfügbar. Aber nicht mehr lange, denn wie der MVB-Geschäftsführer Ronald Schild im Börsenblatt sagt, soll die „Plattform buchhandel.de […] bald auch auf den österreichischen und Schweizer Markt erweitert werden“.
Nun gibt es seit Mitte November 2014 eine verbesserte Version von buchhandel.de. Die ist allerdings immer noch sehr fehlerhaft. Zwar gibt es jetzt endlich eine erweiterte Suche und die enorme Zahl an irrelevanten Treffern, mit denen man im Oktober überschwemmt wurde, hat sich wesentlich reduziert, sogar wenn man nur die einfache Suche nutzt. Man kann aber immer noch seine Überraschungen erleben. Zum Beispiel so:
suche unter „Titel“: Ei
finde: als ersten Treffer: „Adventskalender – Eisprinzessin in Not“, „Die Eisprinzessin“, dann erst „Das goldene Ei“ …
Hat man da etwa analysiert: „Eisprinzessin = Ei + s + Prinzessin“?
Auch weitere gravierende Probleme der Version vom Oktober bestehen nach wie vor:
- Es kann vorkommen, dass die Suche korrekt war, aber die Anzeige mangelhaft ist, sodass das Ergebnis nicht deutlich macht, inwiefern es etwas mit der Suche zu tun hat.
- Suchergebnisse geben die VLB-Einträge nur verstümmelt wieder: z.B. werden Übersetzer und Illustratoren nicht mehr angezeigt
- Die von den Verlagen korrekt gelieferten Cover werden irreführend dargestellt
Ich habe beispielsweise in der einfachen Suche bei buchhandel.de meinen Nachnamen „dünges“ eingegeben und (neben einem Fachbuch aus meiner Feder, wo ich korrekt als Autorin angegeben werde) Bilderbücher gefunden, die ich aus dem Arabischen übersetzt habe, wo mein Name aber in keinster Weise im Suchergebnis auftaucht, obwohl der Verlag diese Information beim VLB angegeben hat, wie eine Stichwortsuche beim alten buchhandel.de ergibt. Ein ähnliches Schicksal hat das Loseblattwerk mit CD-ROM Gefahr- und Arbeitsstellensicherung an Straßen getroffen, das ebenfalls unmotiviert bei diesen Suchergebnissen ist: es wurde von Ansgar Dünges überarbeitet – eine Information, die im alten buchhandel.de geliefert wird, aber beim neuen buchhandel.de unterdrückt wird. Das ist grober Unfug und zeigt bereits, dass die jetzige beta-version buchhandel.de immer noch unbrauchbar für das Bibliographieren ist.
Auch im alten buchhandel.de konnte man leider zwar nicht direkt nach Übersetzern und Illustratoren suchen. Wer auf die Idee kam, unter Autor zu suchen, wurde dennoch fündig. Das geht jetzt nicht mehr. Und jetzt werden die Namen von Übersetzern und Illustratoren anscheinend generell bei der Detail-Beschreibung von buchhandel.de unterdrückt. Man kann zwar im allgemeinen Feld Suchbegriff versuchsweise diese Namen eingeben und erhält mit viel Glück auch zugehörige Bücher, aber weil die Namen bei der Detail-Beschreibung nicht aufgeführt sind, erfährt man meist nicht, dass die Suche erfolgreich war. Oft erfährt man daher noch nicht einmal, dass ein gegebenes Buch übersetzt wurde oder dass es Illustrationen hat, wie man leicht z.B. bei einer Suche nach Alice im Wunderland feststellen kann. Ist es egal, ob ein Buch übersetzt oder illustriert ist und wer der Urheber der Übersetzung oder der Illustrationen ist? Wie kann der MVB im Ernst glauben, diese Informationen seien für Leser irrelevant?
Seit Oktober wird eine offensichtlich per Software manipulierte Version der von den Verlagen gelieferten Cover angezeigt. Und zwar wird stets das Foto eines seitlich aufgenommenen Buches dargestellt, statt wie allgemein üblich einfach das Cover von vorne zu präsentieren. Das Ergebnis ist unästhetisch. Kein Wunder, denn Buchcover sind nicht für das Betrachten von der Seite her gestaltet; die manipulierte Version kann zudem auch je nach Browser stufenförmig verzerrt angezeigt werden und die Schrift auf dem Cover kann unleserlich werden. Das Ganze ist aber nicht nur hässlich sondern auch irreführend, weil es suggeriert, alle Bücher wären gebunden und hätten die gleiche Dicke (und was passiert eigentlich mit Büchern, die einen Goldschnitt haben?). Taschenbücher, Hörbücher und sogar ebooks (!) werden graphisch wie gebundene Bücher dargestellt. Hinzu kommt, dass die beim VLB hinterlegten genaueren Formatangaben bei buchhandel.de jetzt unterdrückt werden – man erfährt also im Zweifel nicht, dass es sich um ein geheftetes Büchlein handelt; ein Beispiel ist die mehrsprachige Reihe Wer hat mein Eis gegessen?, die in Form von gehefteten Büchlein und als Hörbuch im Verlag Edition Orient erschienen ist. Wie ärgerlich für einen Kunden, der ein gebundenes Buch wollte und ein geheftetes bekommt! Wie ärgerlich für die Buchhandlung, die es bestellt hat und nun zurückgeben soll! Und wie ärgerlich für einen Verlag, der die korrekte Angabe beim VLB abgeliefert hat und nun von buchhandel.de völlig falsch präsentiert wird.
Naht Rettung? Die MVB erkennt im Börsenblatt: „Die Suche war nicht so gut, wie sie sein sollte“. Und verspricht das Erreichen der Marktreife bis frühestens Januar 2015. Das Weihnachtsgeschäft kann man also in den Wind schreiben. Wie kann das sein, wo sich der Börsenverein doch gerade die Unterstützung des lokalen Buchhandels auf die Fahnen geschrieben hat, wobei buchhandel.de eine wesentliche Rolle spielen sollte? Und was soll die ominöse Aussage heißen, buchhandel.de habe sich zu „einer reinen Endkundenplattform entwickelt“.
Wie der Verleger und Buchhändler Peter Hinke im Sonntagsgespräch auf buchmarkt.de sehr zu Recht betont, geht es darum, dass „ein einzigartiges Abbild unserer vielfältigen Verlagslandschaft gezeigt werden sollte, unabhängig von allen andere Plattformen. Im Idealfall wäre buchhandel.de – eben weil es auf den direkten Daten der Verlage beruht – gar eine Alternative zu Amazon“. Er beschwert sich, dass die MVB die von den Verlagen gelieferten Daten für das „Publikum bis zur Unbrauchbarkeit abspeckt und offenbar nur den VLB-Abonnenten richtigen Zugang gewährt. Damit verlieren wir aber das Publikum, unsere Leser.“
Eine Plattform des Buchhandels, die Leser als Leser ernst nimmt, und ihnen das Verzeichnis Lieferbarer Bücher bequem zugänglich macht, könnte aber nicht nur eine Alternative zu dem scheinbar übermächtigen Kaufhaus amazon sein, das nur an Kunden und ihrem für irgendwelchen Ramsch ausgegebenen Geld orientiert ist. Sie könnte sogar irgendwann im Bereich des Handelns mit Büchern erfolgreicher als amazon sein. Denn bei amazon wird im Namen der sogenannten Kundenorientierung schon jetzt manchmal eine Suche nach einem Bilderbuch mit dem Hinweis gekrönt, dass andere Kunden gerade nach einem Windeleimer suchen. Und es kann sehr gut sein, dass dieser Spam und die allzu oft völlig irrelevanten oder ersichtlich auf Bestellung gewisser Verlage geschriebenen Kundenrezensionen bei amazon den Leuten eines Tages zunehmend auf die Nerven gehen und sie Sehnsucht nach einem Bereich bekommen, in dem es auf seriöse Weise um Bücher und nur um Bücher geht.
Josef Pauser empfiehlt abschließend, die Datenbank buchhandel.de einfach zu vergessen. Das halte ich für falsch: buchhandel.de und das damit verbundene VLB sind für die gesamte Buchbranche viel zu wichtig, um sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen und sie könnten sich durchaus wieder zu einem guten Rechercheinstrument für Bibliothekare entwickeln. Die Komplexität der Neuprogrammierung von buchhandel.de wurde zwar offenbar völlig unterschätzt, das Testen vernachlässigt, einige Weichen wurden falsch gestellt und das Ganze wurde viel zu früh freigegeben. Aber konstruktive Kritik von möglichst vielen Seiten, auch gerade von Bibliothekaren, kann ja immer noch eine Wende zum Besseren bringen.
Autorin: Petra Dünges (http://www.petra-duenges.de/)